Zum 70. Jahrestag der Chinesischen Revolution

Vor siebzig Jahren jagte die Bauernarmee von Mao Tse-tung den Kapitalismus und den Imperialismus aus dem Land. Die politische Macht ging jedoch in die Hände seiner stalinistischen „Kommunistischen Partei“ (KPCh) über.

von Vincent Kolo, www.chinaworker.info

Heute fußt die Diktatur der KPCh auf völlig anderen gesellschaftlichen Klassenstrukturen als das Regime und der Staat, der vor siebzig Jahren gegründet wurde. Heute handelt es sich bei China um eine imperialistische Macht, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, die ein autoritäres und staatlich kontrolliertes kapitalistisches Modell übernommen hat.

Was die Anzahl der Dollar-Milliardär*innen angeht, steht China heute auf Platz zwei der Weltrangliste. Seit der Machtübernahme von Xi Jinping im Jahr 2012 hat sich diese Zahl von 251 auf nunmehr 476 fast verdoppelt. Verglichen mit den USA unter Obama und Trump, wo die Anzahl der Milliardär*innen im selben Zeitraum von 425 auf 585 angestiegen ist, haben wir es in China mit einem wesentlich stärkeren relativen Anstieg zu tun.

Trotz des von vielen bewunderten „Wirtschaftswunders“ und des Fortschritts bei der Armutsbekämpfung lebten vergangenes Jahr 577 Millionen Chines*innen in ländlichen Gebieten mit einem zur Verfügung stehenden jährlichen Durchschnittseinkommen von 14.617 Yuan (~ 2.052 US-Dollar) pro Kopf. Das sind 5,60 Dollar am Tag und nur geringfügig mehr als die von der Weltbank definierte Armutsgrenze, die in „Ländern mit höherem mittleren Einkommen“ bei 5,50 Dollar am Tag liegt.

Wenn Kommentator*innen behaupten, Xi orientiere sich mit seiner Präsidentschaft am Regime von Mao Tse-tung, dann meinen sie eher das Erstarken der autokratischen Herrschaft und die Repression als seine Wirtschaftspolitik, die im Sinne der Reichen und gegen die Arbeiterklasse gerichtet ist. Anstatt die Revolution von 1949 zu würdigen stellen die offiziellen Feierlichkeiten Themen wie die globale Rolle und die militärische Stärke des Landes in den Mittelpunkt. Es geht um die zunehmende Bedrohung durch „ausländische Kräfte“ (gemeint sind die USA) und darum, dass China ohne die Diktatur der KPCh, die alles kontrolliert, hoffnungslos verloren wäre. Alles ist sehr nationalistisch geprägt.

Revolutionäre Veränderungen

Die KPCh ist nicht an der Spitze einer Arbeiterbewegung an die Macht gekommen. Mit ihren stalinistischen Perspektiven und Methoden hatte sie anfangs eine vergleichsweise beschränkte Programmatik. Das Ziel war der Aufbau einer „Neuen Demokratie“, wobei eine kapitalistische Wirtschaftsordnung beibehalten werden sollte.

Die KPCh wurde durch eine der gewaltigsten revolutionären Wellen der Weltgeschichte nach vorne gepeitscht, entgegen ihrem eigenen beschränkten Programm. Es waren die Begeisterung der Massen für die Revolution und die internationalen Kräfteverhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg, die Maos Regime zu Maßnahmen bewegten, die China grundlegend verändern sollten. 

Lange Zeit galt China als „der kranke Mann Asiens“. Selbst im asiatischen Vergleich galt das Land damals als “arm”. Mit seiner riesigen Bevölkerungszahl (1949 waren es 475 Millionen Menschen) war China über ein Jahrhundert lang der größte „failed state“ („gescheiterte Staat“) der Welt. Zwischen 1911 und 1949 litt das Land unter rivalisierenden Warlords (Kriegsherren), einer korrupten Zentralregierung und Übergriffen durch ausländische Mächte. Dass die erniedrigenden ausländischen Zoll-Häuser und die Stationierung imperialistischer Armeen in China plötzlich ein Ende fanden, war nur eine von zahlreichen ganz konkreten Errungenschaften der Revolution. Maos Regime führte auch eine der umfassendsten Landreformen der Weltgeschichte durch. Dies war nicht ganz so weitgehend wie die in Russland, aber betraf eine um das Vierfache größere Landbevölkerung.

Diese Agrar-Revolution „zerstörte Chinas gesellschaftliche Klasse der adligen Grundherrn, was bedeutet, dass letztlich die herrschende Klasse eliminiert worden ist, die welthistorisch am längsten existiert hat, und die schon lange das Haupt-Hindernis für ein Wiederaufleben und die Modernisierung des Landes dargestellt hat“, so der Hinweis des Historikers Maurice Meisner. 1950 setzte Maos Regierung ein Eherecht in Kraft, durch das arrangierte Hochzeiten fortan verboten waren. Selbiges galt für das Konkubinat und die Bigamie. Für beide Geschlechter wurden Regelungen vereinfacht, sich scheiden zu lassen. Was den Bereich der Ehe- und Familienverhältnisse angeht, war das einer der dramatischsten Eingriffe, den eine Regierung jemals unternommen hat.

Als die KPCh die Macht übernahm, waren vier Fünftel der Bevölkerung Analphabet*innen. Bis 1976, dem Todesjahr von Mao, wurde die Zahl auf rund 35 Prozent reduziert. Die unglaubliche Rückschrittlichkeit des Landes drückte sich auch in der Qualität und Quantität der öffentlichen Einrichtungen aus. Vor 1949 gab es nur 83 öffentliche Bibliotheken im ganzen Land und nur knapp 80.000 Krankenhausbetten. 1975 zählte man 1.250 Bibliotheken und 1,6 Millionen Krankenhausbetten.

Die durchschnittliche Lebenserwartung, die 1949 bei nur 35 Jahren lag, stieg in derselben Zeitspanne auf 65 Jahre. Innovationen im Bereich der öffentlichen Gesundheitsversorgung und Bildung, die Reform (sprich: Vereinfachung) des Schrift-Alphabets und später die Einrichtung eines Netzwerks aus „Barfuß-Ärzt*innen“, mit denen das Gros der Dörfer versorgt wurde, veränderten die Lebensbedingungen für die Landbevölkerung. Diese Errungenschaften, die zu einer Zeit kamen, da China wesentlich ärmer war als heute, wirken angesichts der heutigen Krise im Gesundheitssystem und im Bildungsbereich aufgrund von Kommerzialisierung und Privatisierung wie eine Anklage.

Die Abschaffung des Feudalismus und das Ende der Kontrolle durch imperialistische Mächte waren entscheidende Voraussetzungen, um China auf den Weg in die Moderne und zu industrieller Entwicklung zu bringen. Am Anfang hoffte Maos Regime auf ein Bündnis mit Teilen der Kapitalist*innen und beließ wichtige Bereiche der Wirtschaft in privater Hand. Mitte der 1950er Jahre war man allerdings gezwungen, den Weg bis zum Ende zu gehen. Sogar die „patriotischen Kapitalisten“ wurden enteignet und ihre Unternehmen in einem staatlichen Plan zusammengeschlossen, der sich am bürokratischen System der Wirtschaftsplanung in der UdSSR orientierte. Im Gegensatz zu dem, was eine echte Arbeiterdemokratie unternommen hätte, hat es sich bei diesem maoistisch-stalinistischen Plan nur um ein stumpfes Schwert gehandelt. Es war aber dennoch ein Instrument, das unvergleichlich viel mehr Impulse setzen konnte als der ausgezehrte und korrupte chinesische Kapitalismus.

Angesichts der schlechten ökonomischen Bedingungen, die zu Beginn dieses Prozesses in China vorherrschten, war das, was in der Phase der Planwirtschaft durch die Industrialisierung erreicht werden konnte, erstaunlich. Von 1952 bis 1978 stieg der Anteil, den die Industrie am Bruttoinlandsprodukt hatte, von zehn Prozent auf 35 Prozent (Quelle: „OECD Observer“, 1999).

Es handelt sich hierbei um die temporeichste Industrialisierung, die je in einem Land erreicht worden ist. Sie stellt sogar das in den Schatten, was zwischen 1801 und 1841 in Großbritannien zu verzeichnen war, und das, was Japan von 1882 bis 1927 vorzuweisen hatte. In dieser Phase wurden in China eine Luftfahrt-, Atom-, Werften-, Automobil- und die Schwer-Industrie geschaffen. Gemessen an der Kaufkraft-Parität stieg das BIP um 200 Prozent. Das Pro-Kopf-Einkommen wurde um 80 Prozent gesteigert. Meisner stellt dazu fest: „In der Periode unter Mao sind die entscheidenden Fundamente für die industrielle Revolution Chinas gelegt worden. Ohne sie hätten die Reformer nach Mao wenig zu reformieren gehabt“.

Die beiden großen Revolutionen des letzten Jahrhunderts – die von 1917 in Russland und die von 1949 in China – haben die Welt, in der wir heute leben, mehr beeinflusst als irgendein anderes Ereignis der Menschheitsgeschichte. Beide waren die Folge der völligen Unfähigkeit des Kapitalismus und Imperialismus, die grundlegenden Probleme der Menschheit zu lösen. Bei beiden handelte es sich auch um Massenbewegungen historischen Ausmaßes, nicht um Militärputsche, wie viele kapitalistische Politiker*innen und Historiker*innen behaupten. Es gab jedoch auch fundamentale und maßgebliche Unterschiede zwischen diesen beiden Revolutionen.

Der Stalinismus

Das Gesellschaftssystem, das von Mao installiert wurde, war eher ein stalinistisches als ein sozialistisches. Die Tatsache, dass die Russische Revolution nach der Niederschlagung der revolutionären Bewegungen in Europa und andernorts in den 1920er und -30er Jahren isoliert geblieben war, führte zum Aufstieg einer konservativen Bürokratie unter Stalin. Diese fußte auf der im Staatsbesitz befindlichen Ökonomie, auf der ihre Macht und Privilegien basierten. Alle Elemente von Arbeiterdemokratie (Geschäftsführung und Kontrolle ausgeübt durch gewählte Vertreter*innen sowie die Abschaffung der Privilegien) wurden zerstört.

Dabei braucht eine Planwirtschaft, wie Leo Trotzki erklärte, die Kontrolle durch Arbeiterdemokratie wie der menschliche Körper Sauerstoff zum Atmen braucht. Ohne sie und unter einem Regime, das der Diktatur der Bürokratie unterstellt ist, kann das Potential einer Planwirtschaft verschwendet und letztlich – wie ab 1989 erlebt – das gesamte Gerüst von Zerfall bedroht werden.

Und trotzdem war es dieses stalinistische Modell, das die KPCh für sich übernahm, als sie 1949 an die Macht kam. Auch wenn dies weit entfernt war von der originären Idee des Sozialismus, so hatten das Vorhandensein eines alternativen ökonomischen Systems zum Kapitalismus und die sichtbaren Errungenschaften für die Masse der Bevölkerung einen starken Effekt. Die Weltpolitik erfuhr eine Form von Radikalisierung. China und Russland spielten aufgrund der Vorteile, die sie aus ihren verstaatlichten Volkswirtschaften ziehen konnten, eine Rolle, um den Kapitalismus und Imperialismus zu Zugeständnissen zwingen zu können – vor allem in Europa und Asien.

Die Chinesische Revolution erhöhte den Druck auf die europäischen Imperialist*innen, sich von ihren Kolonien auf der Südhalbkugel zu verabschieden. Sie führte auch dazu, dass der US-Imperialismus die rasante Industrialisierung in Japan, Taiwan, Hong Kong und Südkorea antrieb und diese Staaten als Puffer gegen die Ausbreitung der Revolution nutzte. Schließlich fürchtete man, dass dem chinesischen Beispiel weitere folgen würden. Wie Marx erklärte sind Reformen häufig das Nebenprodukt von Revolutionen. Dies traf auch im Falle der Landreformen und Zerstörung von Feudalstrukturen zu, die in den 1950er Jahren auf das Konto asiatischer Militärregimes innerhalb des US-Einflussgebiets gingen. Dies war der Nukleus für das rapide Wachstum des asiatischen Kapitalismus seit den 1950er Jahren.

Klassenbasis und Programm

Zwar sind sowohl die Russische wie auch die Chinesische Revolution von kommunistischen Parteien mit Massenbasis angeführt worden, dennoch gab es grundlegende Unterschiede, was das Programm, die Methodik und vor allem die Klassenbasis angeht. Es geht um den Unterschied zwischen wirklichem Marxismus und seiner pervertierten Karikatur, die in Gestalt des Stalinismus daherkam.

Die Russische Revolution von 1917 war ihrem Charakter nach proletarisch. Das ist ein Merkmal von entscheidender Bedeutung. Dadurch erhielt man die politische Unabhängigkeit und bekam den als historisch zu bezeichnenden Mut, um einen nie zuvor beschrittenen Weg zu gehen. Die führenden Köpfe dieser Revolution, allen voran Lenin und Trotzki, waren Internationalist*innen und sahen die Revolution als Einleitung zur sozialistischen Weltrevolution.

Im Gegensatz dazu waren die meisten Führungsfiguren der KPC in Wirklichkeit linke Nationalist*innen, mit nur einer dünnen Schicht Internationalismus überzogen. Dies ging einher mit der bäuerlichen Basis, auf die sich die Chinesische Revolution gründete. Lenin bezeichnete die Bauernschaft als die gesellschaftliche Klasse, die am wenigsten international ausgerichtet ist. Die von Vereinzelung und Isolation gekennzeichneten Lebensbedingungen sorgten bei der Bauernschaft für eine beschränkte Perspektive, die in vielen Fällen noch nicht einmal eine nationale Perspektive ermöglichte. Lenins Rede anlässlich der Gründung der Sowjet-Regierung am 25. Oktober 1917 endete mit den Worten: „Lang lebe die weltweite sozialistische Revolution!“. In Maos Rede vom 1. Oktober 1949 kam der Begriff „Arbeiterklasse“ gar nicht erst vor. Er betonte hingegen, dass die Chines*innen sich erhoben hätten, wobei er sogar Bezug nahm auf „Chinesen in Übersee und andere patriotische Elemente“.

Die Chinesische Revolution hatte einen bäuerlichen bzw. kleinbürgerlichen Charakter. Anstelle einer Arbeiterbewegung, die die Massen organisierte und Arbeiterräte wählte (dies waren die treibenden Kräfte der Russischen Revolution), und ohne demokratisch aufgebaute, marxistische Arbeiterpartei (im Falle Russlands waren dies die Bolschewiki) war es in China die auf der Bauernschaft aufbauende „Volksbefreiungsarmee“, welche die Macht übernahm. Die Arbeiterklasse spielte im Falle Chinas keine unabhängige Rolle und erhielt sogar die Anweisung, nicht zu streiken oder zu demonstrieren. Stattdessen sollte sie in den Städten auf die Ankunft der „Volksbefreiungsarmee“ warten.

Während die Bauernschaft zwar ebenfalls zu großartig revolutionären Heldentaten fähig ist, wie die Geschichte des Kampfes der „Roten Armee/Volksbefreiungsarmee“ gegen Japan und das diktatorische Regime von Chiang Kai-shek gezeigt haben, so ist sie umso weniger in der Lage, eine unabhängige Rolle zu spielen. Genau wie die Dörfer dem Beispiel der Städte folgten, so unterstützte die Bauernschaft auf politischer Ebene entweder die eine oder die andere urbane Klasse, entweder die Arbeiterklasse oder die Kapitalist*innen. In China verhielt es sich so, dass die Städte nicht das Land in Bewegung setzten, sondern dass die KPCh an die Macht kam, indem sie eine Massenbasis in der Bauernschaft aufbauen konnte, um dann die im Großen und Ganzen passiven und kriegsmüden Städte zu besetzen. Die Klassenbasis der Revolution bedingte, dass man zwar ein gesellschaftliches Modell nachahmen aber kein neues schaffen konnte.

Die Orientierung der KPC auf die Bauernschaft resultierte aus der schrecklichen Niederlage der Revolution von 1925 bis 1927. Diese Niederlage wiederum war auf den Ansatz der Etappentheorie zurückzuführen, wie ihn die Kommunistische Internationale unter Stalins Führung verfolgte. Demnach sollten die Kommunist*innen darauf vorbereitet sein, die bürgerliche Nationalistische Partei (Kuomintang) von Chiang zu unterstützen und ihr zu dienen. Als Grund dafür diente die Feststellung, dass China sich erst auf der Stufe der bürgerlichen Revolution befinde. Auf diese Weise ist die junge und beeindruckende Basis der KPCh, die sich damals aus der Arbeiterklasse heraus rekrutierte, brutal zerschlagen worden.

Doch während sich kurz nach dieser Niederlage eine trotzkistische Minderheit formierte, die gewisse Bedeutung hatte und die richtigen Schlüsse zog, wonach die Arbeiterklasse und nicht die Kapitalist*innen die Chinesische Revolution anführen müssen, hielt die Mehrheit der KPCh-Führer*innen an der stalinistischen Etappen-Theorie fest. In der Praxis brachen sie ironischerweise damit nach ihrer Machtübernahme im Jahr 1949.

In den späten 1920er Jahren ging die Hauptgruppe der KPCh-Kader, die größtenteils aus der Intelligenz stammten, zum Guerillakrieg auf dem Land über, basierend auf diesen falschen, pseudo-marxistischen Ideen. Chen Duxiu, der Gründer der KPCh, der später viele Positionen von Leo Trotzki teilen sollte, warnte davor, dass die Partei riskiere, bis zum „bäuerlichen Bewusstsein“ zu degenerieren. Das sollte sich als weise Voraussicht herausstellen. 1930 waren lediglich 1,6 Prozent der Parteimitglieder Arbeiter*innen. 1927 waren es noch 58 Prozent gewesen. Diese Klassenzusammensetzung blieb nahezu unverändert bis die Partei 1949 an die Macht kam. Es bestand natürlich ein direkter Zusammenhang zur Orientierung der Parteiführung auf die Bauernschaft und deren  Zurückweisung der urbanen Zentren als Hauptorte für den Kampf.

Parallel zu dieser Vorgehensweise nahm die Bürokratisierung der Partei immer mehr zu. Interne Debatten und demokratische Prozesse wurden durch ein Regime aus Befehl und Säuberung ersetzt. Am Ende stand der Personenkult um Mao. Alles das war eine Kopie der Methoden Stalins, mit der dieser seine Herrschaft aufrecht erhielt.

Ein bäuerliches Milieu und ein vornehmlich militärisch geführter Kampf sind für die Zunahme bürokratischer Tendenzen wesentlich förderlicher als eine Partei, die geprägt ist vom massenhaften Kampf der Arbeiterschaft. Die Russische Revolution degenerierte unter historisch ungünstigen Bedingungen, während die Chinesische Revolution von Beginn an bürokratisch entstellt war. Dies erklärt die widersprüchliche Natur des Maoismus, der von bedeutenden sozialen Errungenschaften ebenso gekennzeichnet ist wie von brutaler Repression und diktatorischer Herrschaft.

Die verhasste Kuomintang

Als der Besatzungskrieg Japans 1945 endete, war der US-Imperialismus nicht in der Lage, seine eigene Vorstellungen für in China direkt in die Tat umzusetzen. Die Situation war von der Stimmung beherrscht, die sich im Slogan „Bring the troops home“ ausdrückte. Dagegen konnte man sich nicht durchsetzen. Deshalb blieb den USA keine andere Option, als das korrupte und unsagbar inkompetente Regime von Chiang Kai-shek zu unterstützen. Man leistete enorme Finanz- und Militärhilfe, die sich auf insgesamt sechs Milliarden Dollar belief.

Dass Washington kaum Vertrauen in die Kuomintang-Regierung hatte, wurde mit den Worten deutlich, die Präsident Truman einige Jahre später äußerte: „Sie sind Diebe, jeder einzelne von ihnen. Sie haben 750 Millionen von den Milliarden gestohlen, die wir Chiang haben zukommen lassen. Sie haben sie gestohlen, um sie in Immobilien unten in Sao Paulo zu investieren und auch in einige Häuser direkt bei uns in New York“.

Für die Masse der Bevölkerung bedeutete das nationalistische Regime die völlige Katastrophe. In den letzten Jahren der Herrschaft der Kuomintang gab es Berichte über mehrere Städte, in denen „hungernde Menschen ohne beachtet zu werden und dem Tode nah auf der Straße herumlagen“. Fabriken und Werkstätten schlossen, weil sie keine Materialien mehr bekamen oder weil die Arbeiter*innen vom Hunger zu geschwächt waren, als dass sie sie weiter hätten arbeiten können. Standrechtliche Hinrichtungen durch Agenten der Regierung und eine zügellose Kriminalität verübt durch Banden der “Triaden“ waren in den großen Städten an der Tagesordnung.

Neben der Landreform, die die KPCh in den von ihr befreiten Gebieten umsetzte, bestand ihr größter Erfolg darin, dass die Kuomintang so verhasst war. Dies führte unter Chiangs Truppen zum massenhaften Desertieren. Ganze Einheiten liefen zur „Roten Armee/Volksbefreiungsarmee“ über. Ab Herbst 1948 konnten Maos Armeen mehrere wichtige Schlachten gewinnen. In einer Stadt nach der anderen im ganzen Land gaben die Kräfte der Kuomintang entweder auf, sie desertierten oder wagten den Aufstand, um sich der „Volksbefreiungsarmee“ anzuschließen. Die Folge war, dass Chiangs Regime von innen zerfiel, was der KPCh außergewöhnliche Vorteile verschaffte. Spätere maoistische Guerrilla-Bewegungen die – wie in Malaysia, auf den Philippinen, in Peru oder Nepal – entstanden und die dem Beispiel von Mao nacheifern wollten, waren nicht so erfolgreich.

Mit einer echt marxistischen Programmatik hätte der Sturz der Kuomintang mit großer Wahrscheinlichkeit wesentlich schneller und mit weit weniger Leid geführt werden können. Von September 1945 (nach dem Zusammenbruch Japans auf militärischer Ebene) und bis Ende 1946 starteten die Arbeiter*innen in sämtlichen großen Städten eine beeindruckende Streikwelle . Allein in Shanghai beteiligten sich 200.000. Auch die Studierenden strömten in einer landesweiten Massenbewegung auf die Straße, wodurch die Radikalisierung der Mittelschichten zum Ausdruck kam.

Die Studierenden forderten Demokratie und wehrten sich gegen die Mobilmachung der Kuomintang, die sich für den Bürgerkrieg gegen die KPCh aufstellte. Die Arbeiter*innen forderten das Recht auf gewerkschaftliche Organisation und das Ende der eingefrorenen Löhne. Doch anstatt dieser Bewegung eine Richtung zu geben, drückte die Partei auf die Bremse und rief die Massen auf, in ihrem Kampf nicht ins „Extreme“ zu verfallen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Mao immer noch die Perspektive einer „Einheitsfront“ mit der „nationalen“ Bourgeoisie, die durch die Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse nicht agitiert werden sollte.

Die Studierenden wurden von der KPC lediglich als Faustpfand benutzt, um Druck auf Chiang auszuüben. Dieser sollte sich endlich an Friedensgesprächen beteiligen. Die KPCh tat ihr Möglichstes, um die Kämpfe der Studierenden und die der Arbeiter*innen voneinander zu trennen. Die unumgänglichen Gesetze des Klassenkampfs führen allerdings dazu, dass eine solche Unzulänglichkeit der Bewegung zu Niederlagen führt und zur Demoralisierung. Viele Aktivposten unter den Student*innen und Arbeiter*innen wurden von einer Welle der Repression erfasst, die die Kuomintang schließlich lostreten konnte; etliche wurden hingerichtet. Eine historische Chance wurde verpasst, das Leben der Diktatur von Chiang Kai-shek somit verlängert und für den Rest des Bürgerkriegs blieben die Massen in den urbanen Zentren im Großen und Ganzen passiv.

Etappen-Theorie

Weil er an der stalinistischen Etappen-Theorie festhielt, schrieb Mao 1940: 

„Da die grundlegende Aufgabe der Revolution in ihrem gegenwärtigen Stadium hauptsächlich im Kampf gegen den ausländischen Imperialismus und den einheimischen Feudalismus besteht, ist sie eine bürgerlich-demokratische Revolution und noch keine auf den Sturz des Kapitalismus abzielende sozialistische Revolution.“ (Mao Tse-tung: „Über die neue Demokratie“, Januar 1940).

Um einen Block mit „progressiven“ und „patriotischen“ Kapitalist*innen zu erreichen, beschränkte Mao die Landreform. Bis zum Herbst 1950 wurde diese nur in einem Drittel der Fläche Chinas umgesetzt. Und obwohl die Unternehmen der Freunde und Mitglieder der rechten Kuomintang, die als „bürokratische Kapitalisten“ bezeichnet wurden, sofort verstaatlicht worden waren, behielten  private Kapitalist*innen ihre Kontrolle und waren 1953 noch für 37 Prozent des BIP verantwortlich.

Zu einem entscheidenden Test kam es mit dem Korea-Krieg, der im Juni 1950 ausbrach. Dieser führte zur massiven Erhöhung des Drucks von Seiten der USA. Es kam zu Handelssanktionen und sogar zur Bedrohung durch einen Atomschlag gegen China. Der Krieg und die damit einhergehende stark polarisierte Welt-Lage (der „Kalte Krieg“ zwischen der Sowjetunion und den USA) bedeuteten, dass Maos Regime zum eigenen Machterhalt keine Wahl hatte, als die Umwandlung der Gesellschaft zu Ende zu bringen. Bei der Landreform wurde das Tempo erhöht und die Kontrolle wurde über die gesamte Wirtschaft ausgeweitet.

Demnach war die Chinesische Revolution eine paradoxe und unvollendete Revolution, die einen bedeutenden gesellschaftlichen Prozess in Gang setzte aber auch eine monströse bürokratische Diktatur hervorbrachte, deren Machtausdehnung und Privilegien in zunehmendem Maße das Potential der Planwirtschaft unterminierten. Als Mao starb, war das Regime zutiefst gespalten und steckte in einer Krise. Man fürchtete sich vor Massenaufständen und der Entmachtung..

Einige in China sind inzwischen zu entschiedenen Antikommunist*innen geworden, die den globalen Kapitalismus unterstützen. Sie glauben, dass das irgendwie eine Alternative zum bestehenden Regime sein kann. Andere beschäftigen sich intensiv mit Maos Vermächtnis. Sie sind der Ansicht, dass es von seinen Nachfolger*innen verraten worden ist. In Anbetracht dieser zunehmenden gesellschaftlichen und politischen Turbulenzen führen standfeste Marxist*innen, die sich in China, Hong Kong und Taiwan im CWI organisiert haben, führen über das Internet und die Seite www.chinaworker.info sowie andere Publikationen Kampagnen, um Unterstützer*innen für die Idee des weltweiten und demokratischen Sozialismus zu gewinnen. Denn das ist der einzige Weg in die richtige Richtung.