Nach den Wahlen: Ergebnisse und Perspektiven

Keine Regierung wird die notwendigen Verbesserungen bringen – die müssen wir selbst erkämpfen!

Das Wahlergebnis und die politische Landschaft nach den Wahlen

Die Wahl ist vorbei und der Wahlkampf geht weiter. Die ÖVP wurde zwar gestärkt, doch die Regierungsverhandlungen werden schwierig. Bei wenigen (außer den Neos) gibt es echte Begeisterung fürs Mitregieren als Anhängsel von Sebastian Kurz. Deswegen werden sie sich den Regierungseintritt wohl ein paar Zugeständnisse kosten lassen. Man muss ja den Wähler*innen und Mitgliedern eine Regierungsbeteiligung auch verkaufen, insbesondere weil die nächsten Landtagswahlen in der Steiermark, Vorarlberg, dem Burgenland und Wien schon in Sichtweite sind.

ÖVP

Das Wahlergebnis bringt keine großen Überraschungen. Der Trend war vorher klar, nur die Details, also die konkreten Stimmendifferenzen waren unklar. Ein Sieg der ÖVP war zu erwarten, dass er so stark ausgefallen ist liegt auch an der Schwäche der großen Alternativen. Sebastian Kurz kann sich nach wie vor als frischer Saubermann präsentieren, auch wenn er eines der altgedientesten Regierungsmitglieder ist und die ÖVP-Skandälchen der letzten Wochen zeigen, dass auch hier Leichen im Keller liegen. Das große Plus der ÖVP in dieser Wahl war ihr Versprechen von Kontinuität und Stabilität. In einer Welt, in der alles rund herum zusammen zu brechen scheint das vielen Wähler*innen erstrebenswert. Dass Kurz nun vom Symbolbild für Veränderung zu dem für Stabilität geworden ist, zeigt: Kurz ist Projektionsfläche für allerlei – sowohl in sich als auch in Bezug aufeinander – widersprüchliche Wünsche: nach Veränderung oder Stabilität, Absicherung oder Verbesserung des eigenen Lebensstandards.
 

Das große Kapital setzt weiterhin auf Kurz als Rammbock für seine Interessen, aber auch große Schichten des mittleren und kleineren Bürgertums wollen in ihm einen Heilsbringer sehen, der sie in dem akuten politischen und drohenden wirtschaftlichen Chaos beschützt. Die Inszenierung von Kurz als charismatischer Führerfigur (Bilder im Stil der 1920er und 30er Jahre inklusive) und die Rede davon, dass im Mai „das Parlament bestimmt“, aber nun „das Volk entschieden“ hätte, verstärken autoritäre Tendenzen die die schwarz-blaue Koalition, ganz im Interesse der Wirtschaft, gesetzt hat. Dass die ÖVP auch in Wiener Arbeiter*innen-Bezirken auf über 20% kommt zeigt nicht nur den Verlust von Verankerung der SPÖ sondern ist auch Ausdruck der Suche nach Stabilität und Klarheit. Darüberhinaus hat Kurz hat auch geschickt auf dem Klavier des Populismus gespielt und mit einigen Maßnahmen der schwarz-blauen Regierung gezielt versucht, das Image des Verantwortlichen für arbeiter*innenfeindliche Maßnahmen wie 12-Stunden-Tag und Angriffe auf die Krankenkasse loszuwerden. Wenn es keine Alternative zu diesem System gibt, so möchte man wenigstens auf der Seite der reichen Sieger sein – in der trügerischen Hoffnung, man könnte selbst zu ihnen gehören.
 

Gleichzeitig kann die Zuspitzung auf Kurz auch vom Trumpf zum Sargnagel werden: Kurz ist auf die hohen Wahlergebnisse angewiesen, um seinen Mythos aufrechtzuerhalten. Sobald diese einbrechen, werden auch die türkis gekitteten Risse in der ÖVP wieder aufbrechen und Kurz könnte schneller als es ihm lieb ist das Schicksal so vieler ÖVP-Obmänner teilen. Dasm momentane Hoch der ÖVP könnte, so wie jenes der deutschen CDU vor ein paar Jahren, bald wieder der Krise weichen, in der die ÖVP vor Kurz‘ Übernahme steckte.

SPÖ

Wer die weitgehend entpolitisierte Image-Kampagne der SPÖ verfolgt hat, kann nur müde lächeln, wenn Rendi-Wagner nun behauptet, man habe einen „inhaltsorientierten“ Wahlkampf geführt. Die SPÖ schleppt sich von Niederlage zu Niederlage – das aber wenigstens konsequent. Wie üblich werden nach der Wahl Stimmen laut, die einen Führungs- und/oder Richtungswechsel der Sozialdemokratie beschwören – von den Teilen, denen sogar dieser Wahlkampf zu „links“ war, wie dem niederösterreichischen SP-Chef Schnabl, bis zu jenen, die sich bewusst links inszenieren wie Max Lercher, der eine Neugründung der SPÖ, „ein neues Hainfeld“, fordert. Wenn nun ausgerechnet Lercher, der in der Steiermark ein brutales Sozialkürzungspaket durchgewunken hat und noch im Jänner stolz behauptete, Jörg Haider würde heute SPÖ wählen, der neue linke Hoffnungsträger in der SPÖ ist, dann sagt das mehr über den Zustand der SPÖ-„Linken“ aus als über ihn.
 

Über Rendi-Wagner kann man denken, was man will, sie aber für die Wahlniederlage verantwortlich zu machen oder zu glauben, Personalrochaden würden das Problem lösen, geht an der Wurzel des Problems meilenweit vorbei. Die europaweiten Niederlagen der Sozialdemokratie wurzeln nicht in „falschen“ Kandidat*innen sondern in ihrer völligen Verbürgerlichung – Neoliberalismus, Rassismus und Korruption inklusive. Auch das Gerede von einer „Neuausrichtung“ wird sich bald als Schall und Rauch herausstellen. Ein bisschen linke Rethorik nimmt der SPÖ einfach niemand mehr ab, insbesondere keine Arbeiter*innen, die unter der SPÖ-Politik gelitten haben. Illusionen hat bestenfalls noch eine Schicht von städtischen, intellektuellen Wähler*innen, um die die SPÖ mit den Grünen rittert und dabei aktuell den Kürzeren gezogen hat. Wer sich von der SPÖ einen tatsächlichen Linksruck erwartet, missversteht den Charakter der Partei. Die Sozialdemokratie ist jene Partei, die sich am durchgehendsten mit der Aufrechterhaltung des Status Quo und mit dem bürgerlichen Staat als dessen Garanten identifiziert. Der Misstrauensantrag gegen Kurz war keine politische Offensive – das hat der weichgespülte Wahlkampf gezeigt – sondern ein schlichter Akt zum Schutz der politischen Stabilität, die von einer Fortsetzung von Schwarz-Blau gefährdet gewesen wäre. Das Gerede vom „Zusammenhalt“ (also der sozialpartnerschaftlichen Abwicklung der kapitalistischen „Sachzwänge“) und von „Verantwortung“ (für die langfristigen Interessen des „Wirtschaftsstandorts“) unterstreicht dies. Während ÖVP und FPÖ die Interessen ihrer jeweiligen Kapital-Fraktionen konsequent vertreten wollen und dafür auch bereit sind, ein paar Späne beim Hobeln zu hinterlassen, gilt das einzige Interesse der SPÖ der politischen „Stabilität“. Gerade weil die SPÖ keine historische Verankerung und Verbindung zu einer oder mehreren Kapitalfraktionen hat identifiziert sie sich am stärksten mit „dem Staat“ und den „Gesamtinteressen“. Das Dogma „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ ist die populistische Version der von der Sozialdemokratie und der mit ihr verbundenen Gewerkschaftsbürokratie getrommelten Sozialpartnerschaft. Sollte es Kurz nicht gelingen, einen anderen Koalitionspartner zu finden, kann er damit rechnen, dass die SPÖ bereit wäre, zur Vermeidung weiterer Instabilität in eine Koalition zu gehen – so wie die SPD, nachdem niemand sonst bereit war, mit der CDU zu koalieren, in die aktuelle deutsche Regierungskoalition einstieg, auch um den Preis noch katastrophalerer Wahlergebnisse.

FPÖ

Nach Ibiza und Straches Spesenskandal brachte das Wahlergebnis die brodelnde Krise in der FPÖ vollends zum Ausbruch. Die Gründe dafür sind vielfältig: Es gibt Schichten, die sich von der FPÖ „soziale“ Politik (auf Kosten von Migrant*innen) erhofft hatten. Diese wurden durch 12-Stundentag, Kassenreform usw. abgeschreckt und stellen wohl einen Teil jener Wähler*innen dar, welche die FPÖ ans Nichtwählen verloren hat. Doch Schwarz-Blau wurde nicht durch Bewegungen gegen die unsoziale Politik gestürzt, sondern stolperte über Straches Korruption. Tatsächlich gibt es nichts daran zu feiern, dass Schwarz-Blau über eine Intrige gestolpert ist, die wahrscheinlich von konkurrierenden bürgerlichen Kräften vorbereitet und durchgeführt worden ist. Die Regierung hätte schon Monate früher beseitigt werden können. Über 100.000 Menschen demonstrierten gegen die Einführung des 12-Stundentags. Die Führung der Gewerkschaften redete damals von einem Aufstand gegen die Regierung – und tat dann nichts. Der 12-Stundentag ist heute Realität, arbeitende Menschen leiden darunter. Das bedeutet auch, dass die Wahl – auch aufgrund fehlender Alternativen – nicht primär zum Denkzettel gegen die Politik der Reichen wurde. Ein anderer Teil der FPÖ-Basis wurde von den Skandalen nicht nur nicht abgeschreckt – man wählte FPÖ nicht trotz, sondern, „jetzt erst recht“, wegen den Skandalen: So laufe es nun mal in der Politik, man macht sich die Hände schmutzig und casht ab, und vielleicht schaut auch für uns was dabei raus – unfair sind dann nicht Straches Machenschaften, sondern, dass man ihn im Gegensatz zu anderen dafür zur Rechenschaft zieht. Das Herumlavieren der Parteiführung, die sich einerseits als Opfer dunkler Mächte inszenierte, andererseits trotzdem zunehmend auf Distanz zu Strache ging, verstört nun auch Teile dieser Basis.

Der Hofer-Flügel, der auf eine Fortsetzung von Schwarz-Blau geschielt hatte und sich am Parteitag vom 14. September trügerische Bestätigung holte, ist nun gezwungen, zurückzustecken um eine Parteispaltung zu verhindern. Nachdem sich direkt nach der ersten Hochrechnung gewichtige Köpfe der Partei gegen eine Regierungsbeteiligung ausgesprochen hatten, war für Hofer der Weg zu Kurz blockiert. Das Zweckbündnis zwischen Hofer und Kickl war einerseits der Notwendigkeit geschuldet, angesichts der Wahlen und der Krise der Partei Einigkeit zu zeigen, andererseits dem Problem Strache, das aus der Welt geschafft werden musste. Für Hofer ging es vor allem um Glaubwürdigkeit als verlässliche Regierungsoption, Kickl gegenüber den Teilen der Wähler*innenschaft, die die FPÖ noch immer als „Protestpartei“ wählen. Nachdem die Wahlen geschlagen sind und Strache suspendiert wurde, ist die Einheit der Partei nur durch ein de facto Nachgeben Hofers zu wahren. Eine Partei mit Führerprinzip wie die FPÖ verträgt eine Doppelspitze nicht auf längere Zeit.

Genau dieses Führerprinzip wird nun auch mit Straches Abgang zum Problem. In der Vergangenheit waren viele Stimmen für die FPÖ vor allem Stimmen für Strache. Er wäre potenziell zumindest kurzfristig ein gefährlicher Konkurrent, wenn er bei den Wien-Wahlen mit einer eigenen Liste antreten würde. Dass er nach aktuellem Stand darauf verzichtet, lässt auf massiven Druck seitens der Parteispitze schließen – und dass Strache genügend Leichen im Keller hat, um solchem Druck nachgeben zu müssen. Seine Aufrufe, das freiheitliche Lager nicht zu spalten zeugen nur davon, wie zerbrechlich die aktuelle Lage innerhalb der FPÖ ist. Eine Spaltung zu einem späteren Zeitpunkt – ob rund um Strache oder nicht – kann nicht ausgeschlossen werden. Doch auch wenn die FPÖ erfreulicherweise geschwächt ist, so ist sie nicht geschlagen. Und der Rechtsextremismus schon gar nicht. Interne Machtkämpfe werden die nächsten Monate prägen. Doch das Potential für eine Partei wie die FPÖ ist ungebrochen, solange es keine ernsthafte linke Alternative gibt.

Grüne

Das spektakuläre Ergebnis der Grünen ist kaum ihnen selbst zu verdanken – höchstens auf die paradoxe Weise, dass ihr Rauswurf aus dem Parlament 2017 kombiniert mit dem aggressiven Kurs von Schwarz-Blau bedeutete, dass Wünsche nach einer linken Alternative im Parlament wieder auf die Grünen projeziert wurden, auch wenn niemand wirklich sagen kann, inwiefern die Grünen Schwarz-Blau im Parlament Einhalt gebieten hätten können. Vor allem profitierten sie natürlich von der Klimabewegung – auch hier jedoch ohne ein nach vorne treibender Faktor in ihr zu sein. Weder nutzten grüne Mandatar*innen auf Gemeinderats- oder Landtagsebene ihre Ämter, um der Bewegung eine Bühne zu bieten, noch setzten sich die Grünen in den Stadt- und Ladesregierungen, in denen sie nach wie vertreten sind, für Forderungen ein, die der Dramatik der Krise auch nur annähernd gerecht werden. Auch hier handelt es sich im Wesentlichen um Hoffnungen, die in die Grünen gesetzt – und früher oder später enttäuscht – werden.
 

Große Teile der Grünen wären für eine Koalition mit Kurz offen. Immerhin sitzt man mit der ÖVP ja bereits in vier Landesregierungen: Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Oberösterreich. Zurückhaltung gibt es nur angesichts der grünen Parteibasis in Wien und der Angst, die neu gewonnene Gunst allzuschnell in einer Regierung zu verlieren, in der Kurz weiterhin den Ton angibt. Natürlich wäre eine solche Regierung keine lineare Fortsetzung von Schwarz-Blau. Zugeständnisse kann es an den Klimaschutz und vielleicht auch in der Migrationspolitik geben – etwa in der Frage des Bleiberechts für Asylwerber*innen, die eine Lehre machen, an dem auch Teile des Kapitals ein Interessen haben. Wer sich durch eine Regierungsbeteiligung der Grünen jedoch einen echten Linksruck erwartet, braucht nur in die Bundesländer zu sehen, in welchen die Grünen mitregieren und beweisen, dass auch sie sich den kapitalistischen „Sachzwängen“ bereitwillig beugen. Auch dort geht der Sozialabbau, die Abschiebungen und die Umsetzung von Kürzungs-Richtlinien weiter, während ein paar Image-Projekte medienwirksam positioniert werden.

Neos

Die Neos konnten von ÖVP-Wähler*innenschichten profitieren, denen die Anbiederung an die FPÖ zu weit gegangen ist und die ihren Neoliberalismus lieber progressiv als konservativ präsentiert sehen wollen. Diese Schichten waren für das Ergebnis auch notwendig, denn die Neos verloren einen Großteil ihrer Stimmen von 2017 an die Grünen. Fernab davon, sich nun endgültig etabliert zu haben, zeigt das die Instabilität des liberalen Lagers, in dem die Neos im Wesentlichen als Durchgangsstation und Auffangbecken zwischen ÖVP und Grünen funktionieren.
 

Als Regierungspartner kommen sie nicht nur wegen dem zu schwachen Ergebnis kaum in Frage: der klassische Neoliberalismus der Neos passt nicht mehr zu den Bedürnfissen des österreichischen Kapitals, angesichts der kommenden Krise. Dieses braucht nicht nur möglichst freie Märkte und möglichst ausbeutbares Menschenmaterial, sondern auch einen starken Staat, der bereit ist, dem Kapital in der Krise unter die Arme zu greifen, durch Aufnahme neuer Schulden und Einsatz von Steuerungsinstrumenten – Maßnahmen, die die marktradikalen Neos ablehnen würden. Dazu gehört auch das Interesse der ÖVP, ihre jahrzehntelang gewachsene Verfilzung mit den staatlichen Apparaten aufrechtzuerhalten. Dies stößt sich mit dem Wunsch der Neos, die staatlichen Apparate mit Axt und Schere zu durchforsten.

JETZT, KPÖ, Wandel

Pilz‘ Alleingang stellte sich als Rohrkrepierer heraus. Völliger Mangel an Programm und demokratischen Strukturen bedeuteten von Anfang an, dass dieses Projekt kein Schritt in Richtung einer neuen Linken sein würde. Ironischerweise war die Liste JETZT auf Demonstrationen und in Bewegungen sichtbarer als die KPÖ – sie bot jedoch kein konkretes Programm für die jeweiligen Kämpfe an oder machte andere Anstalten, diese tatsächlich organisiert zu unterstützen.
 

Der Run auf die Grünen und der Druck des kleineren Übels spielten natürlich eine Rolle beim schlechten Ergebnis der KPÖ – dass sie aber überhaupt zwischen Grünen und SPÖ zerrieben werden konnte, liegt vor allem an ihrer eigenen programmatischen Positionierung. Nichts, was von dem  halbherzigen Bündnis „Wir können“ (eine ungelenke Übersetzung des Namens der spanischen Linkspartei Podemos, die sich selbst gerade in einer existenziellen Krise befindet) kam, ging programmatisch über das hinaus, was der linke Rand von Grünen und SPÖ ebenso sagt. Viele fragten sich also zurecht: Wozu „Wir können“ wählen?
 

Demgegenüber wurde der Wandel wohl teilweise als radikalere Alternative von jenen wahrgenommen, die wussten, warum sie SPÖ und Grüne (und die KPÖ) nicht wählen wollen. Dabei bleibt die „Kapitalismuskritik“ des Wandels bei einer oberflächlichen Kritik von Großkonzernen und Banken stehen. Die Antwort ist eine Romantisierung des kleinen und mittleren Unternehmertums, die groß angekündigten „Utopien“ bestehen im Wesentlichen im Wiederaufkochen alter keynesianischer Konzepte – doch nützte alleine das selbstbewusste und teilweise wortradikale Auftreten des Wandels, der kaum bundesweite Strukturen hat, um dem Ergebnis der KPÖ auf Anhieb nahe zu kommen und einen Achtungserfolg von über 21.000 Stimmen einzufahren. Nun stellt sich dir Frage, ob der Wandel dieses Potential für den Aufbau von Bewegungen und einer starken Linken nützen möchte.

Der Wahlkampf der SLP

Die SLP trat in Oberösterreich an. Unser Ziel war nicht das Parlament, sondern der Aufbau einer sozialistischen Kraft in Oberösterreich. In unserem Wahlkampf betonten wir bei jeder Aktion, jeder Podiumsdiskussion und bei jedem Interview, dass es im kapitalistischen Wirtschaftssystem unmöglich ist, aktuelle Probleme, wie Wohnungsnot, Klimawandel oder Diskriminierung zu lösen. Unsere Aktivitäten hatten mehr mit den Bewegungen vor und nach der Wahl zu tun als mit dem Wahltag selbst. Nach der erfolgreichen Linzer Pride kampagnisierten wir für eine antikapitalistische LGBTQIA+ Bewegung. Inspiriert von der aktuellen Bewegung in Berlin protestierten wir vor der Raiffeisen-Zentrale für die Enteignung von Immobilienkonzernen. Unser Spitzenkandidat, selbst Krankenpfleger, sprach auf einer Aktion der Gewerkschaft für mehr Personal im Krankenhaus und die SLP sammelte Unterschriften für diese Forderung. Wir nahmen an den Klima-Streiks teil und organisierten selbst Aktionen in Vöcklabruck und vor der Wirtschaftskammer in Linz. Überall trafen wir auf Zustimmung – Jugendliche, die begeistert von der Pride Parade waren oder Krankenpfleger*innen, die unsere Forderungen unterstützen. Wir haben neue Mitglieder gewonnen und unsere Strukturen gefestigt. Auf diese Weise gestärkt werden wir auch nach dem Wahlen weiterkämpfen, gegen die Politik der Reichen und Konzerne und für eine sozialistische Alternative.

Was auf die neue Regierung zukommt

Klar ist: Es ist gut, wenn Schwarz-Blau weg ist. Klar ist aber auch: jede andere Regierung wird nicht fundamental anders agieren. Wie auch immer die nächste Regierung aussieht: Sie wird vor dem Hintergrund der sich eintrübenden Konjunktur handeln müssen. Hauptaufgabe der nächsten Regierung wird es sein, die österreichische Wirtschaft im internationalen Wettbewerb stärker zu positionieren. Das soll vor allem durch die Verbilligung der Produktionskosten im Land durch Senkung der Lohnstückkosten erreicht werden. Die Attacken werden vielleicht etwas langsamer und abgeschwächter kommen. Aber die Angriffe gegen Arbeitende, Arbeitslose und Arme werden weder gestoppt, noch zurückgenommen werden. Kurz ist ein neoliberales Chamäleon. In einigen Fragen kann er je nach Koalitionsvariante durchaus das eine oder andere Zugeständnis machen, etwa bei LGBTQIA+ Rechten. Solche Zugeständnisse zu begrüßen – doch sie würden dort enden, wo die unmittelbaren Interessen des Kapitals gefährdet wären. So wenig die Grünen Kurz und seine Politik für Reiche stoppen werden, so wenig wird es auch die massiv geschwächte SPÖ tun. Sie wird nach rechts rücken, ob in Koalition mit Kurz oder in Opposition.

Industriellenvereinigung & Co waren erzürnt über die Selbstausschaltung der Schwarz-Blauen Koalition. Sie hätten sich eine Fortführung des aggressiven Kurses gewünscht. Die Krise der FPÖ zeigt jedoch wieder, dass diese noch immer kein verlässlicher Partner für solch längerfristig angelegten Projekte ist. Es ist also gut möglich, dass auch die aggressiven Kapitalfraktionen sich nun mit einer Koalitionsvariante zufrieden geben, in welcher die Kürzungen und Verschlechterungen zwar langsamer, dafür verlässlicher durchgeführt werden. Politische Stabilität angesichts der kommenden Krise scheint dem Kapital nun wichtiger zu sein als Mähdrescher-Kürzungen. Zum Einen hat Schwarz-Blau einen Teil dieser Agenda bereits durchgesetzt oder ins Rollen gebracht, zum Anderen wird die politische Stabilität benötigt, um den Staat als effektives Instrument in der kommenden Krise parat zu haben. Doch das bedeutet keine Wiederkehr des Nachkriegs-Keynesianismus, sondern hier gehen die Bemühungen um einen „sauberen Haushalt“, um Nulldefizite und Budgetüberschüsse (welche durch Kürzungspolitik erreicht werden), in die Vorbereitung von staatlichen Notmaßnahmen über, um dem Kapital unter die Arme zu greifen: Rettungs- oder etwaige Konjunkturpakete werden durch hohe Kreditwürdigkeit (Stichwort Ratingagenturen) einfacher umzusetzen. Das bedeutet auch, dass von der Seite des Kapitals vermehrt nicht mehr nur Sparsamkeit des Staates gefordert werden wird, sondern auch Finanzspritzen in der ein oder anderen Form. Einerseits können das kurzfristige Pakete für die großen Player in Industrie und Finanz sein. Andererseits kann auf jene Nischen gesetzt werden, in welchen auf bestimmte Bereiche spezialisierte Sektoren mit staatlicher Unterstützung einen Wettbewerbsvorteil erzielen können und damit zumindest ihre eigene Konjunktur teilweise wieder ankurbeln können. Das kann dann auch Subventionen innovativer bzw. „grüner“ Sparten bedeuten, jedoch weder in der Form noch dem Ausmaß, die eine echte Energiewende herbeiführen würden.

Was notwendig ist

Trotz – oder gerade wegen – des Wahlergebnisses gibt es ein immer größer werdendes Bewusstsein, dass die etablierte Politik nichts an Klimakrise und Sozialabbau ändern wird. Der Wunsch nach radikaleren Antworten und Aktion auf der Straße wird größer. Seit Jahren sehen wir ein Anwachsen von Demonstrationen und auch Streiks in Österreich. Wenn die KPÖ nun an die Reste von JETZT und den Wandel zwecks Aufbaus einer „modernen Linkspartei“ herangeht, so klingt das für viele erstmal gut und weckt Hoffnungen darauf, dass die KPÖ von ihrem Alleinvertretungsanspruch auf der Linken abweicht. Doch es braucht mehr als die Summe gescheiterter Wahlprojekte. Wer ernsthaft am Aufbau einer linken Alternative zum Teufelskreis der etablierten Politik mitarbeiten will, sollte auf die kommenden sozialen Auseinandersetzungen jenseits des Parlaments orientieren. Denn eine ernstzunehmende neue linke Partei wird nicht durch Hinterzimmerabsprachen vor Wahlen entstehen, sondern durch Aktivist*innen betrieblicher und sozialer Kämpfe, die ihre Bewegungen auf die politische Ebene tragen. Im Sozialbereich kam es in den letzten beiden Jahren zu Streiks, die zunehmend weniger von der Gewerkschaftsbürokratie niedergehalten werden konnten. Im Wiener Gesundheitsbereich rumort es massiv. Die anstehenden KV-Verhandlungen im Metallbereich finden vor dem Hintergrund der bereits angekommenen Krise im Automobilsektor in Deutschland statt, der auch für die österreichische Industrie enorme Bedeutung hat. Betriebliche Kämpfe können die Todesumarmung der Gewerkschaften durch SPÖ lockern – ein unverzichtbarer Faktor für den Aufbau einer neuen Linken. Die Klimabewegung hat ihre enorme Mobilisierungskraft mehrfach unter Beweis gestellt und längst nicht alle Aktivist*innen werden sich von den Grünen einlullen lassen. Wenn es gelingt, in all diesen Bereichen Aktivist*innen zusammenzubringen, dann können gemeinsame Kandidaturen, etwa bei der Wien Wahl 2020, einen Schritt zu einem Aufbau einer echten linken Alternative darstellen.

Was wir brauchen müssen wir selbst erkämpfen: Die Rücknahme des Kürzungswahnsinns der letzten Regierungen ebenso wie echte Verbesserungen. Wer auf die nächste Regierung hofft, ist schon verloren. Wer sich aber organisiert, und gemeinsam mit anderen kämpft ist am richtigen Weg. Wenn die ÖGB-Führung weiter auf die SPÖ setzt, dann braucht es einen echten Bruch mit ihr, damit die Gewerkschaft zur Kampforganisation wird. Wenn es keine Arbeiter*innenpartei gibt, dann sind die kommenden Kämpfe der richtige Ansatzpunkt für den Aufbau einer solchen. Wenn dieses System nicht funktioniert, dann ist es an der Zeit, sich für ein anderes stark zu machen. In den letzten Monaten haben sich eine Reihe von neuen Aktivist*innen der SLP angeschlossen – es ist auch für dich an der Zeit, deine Wut in Widerstand zu verwandeln. Werde Teil der SLP, werde Teil des sozialistischen Widerstandes!