Berliner Mietendeckel

Demonstration am 03.10.2019

Ersten Erfolg der Bewegung in Rückenwind für Enteignungskampagne verwandeln 

Nach monatelangem Ringen und Druck der Mieter*innenbewegung und einer Gegenkampagne der Bauwirtschaft, der Genossenschaften, CDU, FDP, AfD und Teilen der SPD hat sich die rot-rot-grüne Regierung auf einen Entwurf zum Mietendeckel geeinigt. Der Beschluss des Senats geht nun ans Parlament und es bleibt abzuwarten, ob die SPD oder die rechte Opposition noch versuchen, einzelne Punkte zu verwässern.

Von Lucy Redler, Berlin

Die drei wesentlichen Elemente des neuen Mietendeckels sind:

  • Mietenstopp: Die Mieten aller Mietwohnungen auf dem freien Markt, die vor 2014 gebaut wurden, werden rückwirkend zum 18. Juni 2019 für fünf Jahre eingefroren. Das betrifft 1,5 Millionen Haushalte.
  • Obergrenzen: Bei Wiedervermietung darf die Wohnung nicht teurer vermietet werden als gegenüber dem/der Vormieter*in (Ausnahme: Mieten unter fünf Euro netto kalt, diese können auf fünf Euro erhöht werden). Sind die bisherigen Mieten höher als die Obergrenzen-Tabellenwerte, die dem Gesetz beigefügt sind, gilt die Obergrenze, derzufolge die Kaltmieten 6,45 und 9,80 pro Quadratmeter je nach Baujahr und Ausstattung nicht überschreiten dürfen (ausgenommen sind Ausstattungsaufschläge.)
  • Mietsenkung: Bei bestehenden Mietverträgen gibt es es einen Anspruch auf Mietsenkung, wenn die Miete zwanzig Prozent über den Grenzwerten liegt (dabei gelten je nach Lage der Wohnung Auf- und Abschläge).

Der Senat rechnet mit 300.000 Anspruchsberechtigten. Wie viele von ihnen am Ende wirklich einen Antrag auf Absenkung stellen ist offen. Nicht wenige Mieter*innen dürften Angst haben, es sich mit ihrer/ihrem Vermieter*in zu verderben, denn die Regelungen gelten zunächst nur fünf Jahre und es ist offen, ob Teile des Gesetzes vom Gericht kassiert werden (weitere Fakten zum Entwurf).

Wie dicht ist der Deckel?

Eine wirkliche Bewertung der Tiefe des Eingriffs in das Eigentum der Immobilienkonzerne ist erst möglich, wenn klar ist, wie viele Menschen materiell von der Absenkung profitieren und wie geschickt die Konzerne Umgehungsstrategien finden. Nicht nachvollziehbar ist zudem, warum Mietsenkungen erst beim Überschreiten der Obergrenzen um zwanzig Prozent greifen und damit Bestandsmieten anders bewertet werden als Neuvertragsmieten. Zudem sind Modernisierungen von einem Euro pro Quadratmeter weiterhin möglich.

Unbestreitbar ist das Ergebnis aber ein wichtiger Erfolg der Mieter*innenbewegung, den es ohne die Proteste und den politischen Druck durch die Enteignungsdebatte nicht gegeben hätte. Diese hat auch dazu geführt, dass die SPD sich nicht mit ihrem Vorhaben durchsetzen konnte, Mietsenkungen zu verhindern. Wahr ist aber auch, dass das jetzige Gesetz deutlich hinter den ersten Entwurf zurück fällt.               

Trotzdem wird die Einführung dieses Mietendeckels eine wichtige Signalwirkung auf Aktive bundesweit haben. Die Einführung sollte als Steilvorlage genutzt werden, für schärfere Gesetze zu Mietenstopp und Mietsenkungen in anderen Bundesländern und auf Bundesebene zu kämpfen. Auch in Berlin muss es zukünftig Auseinandersetzungen über eine Schärfung des Gesetzes geben.

Für die Berliner*innen ist das Gesetz nun vor allem eine Atempause, es löst die grundlegenden Probleme auf dem von privaten Konzernen dominierten Wohnungsmarkt jedoch nicht. Deshalb kommt es jetzt auch darauf an, die Kampagne für Enteignung der Immobilienkonzerne ohne Atempause weiter voranzutreiben und für massiven bezahlbaren Neubau durch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zu kämpfen.

Rückenwind

Ursprünglich hatte die SPD den Mietendeckel als Idee aufgebracht, um weitergehenden Forderungen der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ und der LINKEN nach Enteignungen von Immobilienkonzernen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Im Gegenteil zu dieser Absicht spricht nun einiges dafür, dass die Initiative Rückenwind bekommen könnte. Denn der Mietendeckel hat gezeigt: Kämpfen lohnt sich.Erst deckeln, dann enteignen: Das muss jetzt die praktische Kampagne-Politik der LINKEN bestimmen und auch zur Kampagne der Gewerkschaften werden. DIE LINKE muss alles dafür tun, dass das juristische Verfahren zur ersten Stufe des Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ so schnell wie möglich abgeschlossen wird, um in die zweite Stufe der Unterschriftensammlung und der Kampagne einzutreten. Diese kann zum Rahmen werden, um die Organisierung von Mieter*innen qualitativ zu erhöhen und politisch ein Beispiel zu setzen, dass Enteignungen breiten Rückhalt in der Bevölkerung haben und zur Nachahmung in anderen Bereichen empfohlen werden. Denn es geht um nicht weniger, als die kapitalistischen Machtverhältnisse grundlegend zu ändern.