Gewerkschaftsdemo für Braunkohle

Linksjugend- und SAV-Mitglieder argumentieren für Umwelt und Arbeitsplätze

Etwa 30.000 Menschen gingen in Bergheim auf die Straße, mobilisiert durch die Gewerkschaft Berbbau, Chemie und Energie (IG BCE) und die Sorge, durch einen schnellen Kohleausstieg ihre Arbeitsplätze zu verlieren. Linksjugend- und SAV-Mitglieder argumentieren für Umwelt und Arbeitsplätze.

von Marcus Hesse, Aachen

Als wir beschlossen hatten, mit einem Transparent und Flugblättern an der Demonstration teilzunehmen, war uns klar, dass es nicht einfach werden würde. Denn die Spaltung und Feindschaft zwischen den Braunkohlebergleuten einerseits und der Umweltbewegung und der Linken andererseits sind tief. linksjugend [‘solid] NRW hatte eine Stellungnahme geschrieben, in der erklärt wurde, dass die Interessen von Arbeit und Umwelt kein Widerspruch seien und in der für einen Kohleausstieg mit garantierten und gleichwertigen alternativen Arbeitsplätzen argumentiert wurde – finanziert durch die Profite der Energiekonzerne wie RWE. Diese Erklärung haben wir (fünf Aktive aus SAV, LINKE und linksjugend [‘solid]) auf der Demo verteilt, weil wir es als Sozialist*innen, Umweltaktivist*innen und Gewerkschafter*innen wichtig finden, die Spaltung zwischen den Beschäftigten im Bergbau und der Umweltbewegung zu überwinden.

Rolle der IG BCE

Die Gewerkschaft IG BCE hat mit Unterstützung von Teilen von ver.di und der tatkräftigen Hilfe des Arbeitgebers circa 30.000 Leute mobilisiert, darunter auch Kumpel aus anderen Revieren wie der Lausitz und manchen RWE-Zulieferbetrieben, die dafür frei bekamen und mit Reisebussen ins Rheinland fuhren. Zur Abschlusskundgebung redeten CDU-Ministerpräsident Laschet und Brandenburgs Ex-Ministerpräsidet Platzeck (SPD), der ein vehementer Befürworter der Braunkohleförderung ist. Immer wieder hat diese Gewerkschaft, die innerhalb des DGB besonders weit rechts steht und arbeitgebernah ist, mit den Bossen der Braunkohlekonzerne gemeinsam Demos organisiert. Mit eigenen „Studien“ und „wissenschaftlichen Gutachten“ hat sie ihre Mitglieder ausgiebig indoktriniert – was sich in vielen Gesprächen mit Demoteilnehmer*innen niederschlug, die mit allerlei Zahlen und Daten um sich warfen. Die besonders enge Kooperation mit dem Arbeitgeber und die Identifikation mit dem Standortwettbewerb schlägt sich in der IG BCE in einer krassen Frontstellung gegen alles, was links ist, nieder. Der Name „linksjugend“ trug nicht dazu bei, Vertrauen zu erwecken. Außer wenn man dann doch ins Gespräch kam. Dann gelang es streckenweise doch, gute Diskussionen über Kapitalismus und die Notwendigkeit von demokratischer Wirtschaftsplanung zu führen.

Schwierige Intervention

Doch es war alles andere als leicht, mit den Beschäftigten ins Gespräch zu kommen.

Schon zu Beginn, als wir uns mit dem Transpi an die Seite des Demozugs stellten und die Flyer verteilten, stießen wir – angesichts der Verhärtung der Fronten wenig überraschend – auf starke Ablehnung. Nur wenige nahmen ein Flugblatt mit, viele gaben es wieder zurück oder warfen es auf den Boden. Es hagelte vielfach Beschimpfungen, die von einem ausgeprägten Hass auf Umweltschützer*innen und Linke zeugen.

„Bleib’ mir weg mit Umwelt! Euer Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose!“ war da noch höflich. „Geht mal arbeiten!“, „Wascht euch mal!“ oder „Schneidet euch mal die Haare!“ hörte man ständig. Das traf besonders einen Aktivisten von uns, der wegen seiner Dreadlocks in den Augen mancher Bergleute rein äußerlich einem gewissen Feindbildklischee entspricht.

Als wir uns dem Demozug anschlossen und loszogen, wurden wir frühzeitig von der Polizei gezwungen, hinter dem Zug zu bleiben und damit von den Demonstrierenden abgeschirmt. Anderenfalls hätten wir einen Platzverweis riskiert.

Im Laufe des Demozugs stießen noch andere Kräfte dazu, die ebenfalls kritisch intervenierten. Darunter „GewerkschafterInnen für Umweltschutz“ (meistens in ver.di und der IG Metall) und Mitglieder der MLPD. Insgesamt aber nicht mehr als 15 bis 20 Leute.

An einer Stelle organisierten IG BCE-Leute sogar eine Blockade, um uns mit unserem Transpi am Weiterziehen zu hindern, was nach einigen hitzigen Diskussionen aber beendet wurde.

Gelegentlich riefen IG BCE-Demonstrant*innen den provokativen Slogan „Hambi muss weg!“ Bei wirklichen Diskussionen mit ihnen – wenn sie denn zustande kamen – wurde aber schnell deutlich, dass bei ihnen durchaus auch Verständnis für die Notwendigkeit des Klimaschutzes und des (langfristigen) Ausstiegs aus den fossilen Energien besteht. Einen Zugang gewann man dann, wenn man deutlich machen konnte, dass man für Beschäftigungsgarantie steht. Mit vielen kam man auf eine Ebene, wenn man sich als Gewerkschaftsmitglied zu erkennen gab.

Umweltbewegung und Beschäftigte

Ausgeprägt ist aber die Identifikation der Leute mit ihren Arbeitsplätzen und „ihrem“ Unternehmen. Das drückte sich auch in manchen mitgebrachten Plakaten aus. „Wenn ich arbeitslos werde, kann ich die Bechsteinfledermaus beobachten“ hatte einer geschrieben, mit dem dann schnell eine Debatte über einen ökologischen Umbau und gleichwertige alternative Arbeitsplätze und demokratische Wirtschaftsplanung entbrannte. Sehr ausgeprägt ist die Wut der Bergleute auf die Grünen, die 2016 noch für den Tagebauausbau stimmten und jetzt scheinbar an der Spitze der moralischen Empörung stehen. Ablehnung erfahren auch Gruppen wie BUND, Campact! und Greenpeace, denen die Arbeitsplätze der Beschäftigten kaum ein Wort wert sind. „Auch uns geht es um die Zukunft und auch wir sind für Umweltschutz!“ sagte eine RWE-Beschäftigte, mit der dann eine Diskussion über die Begrenztheit von nationalen Klimazielen aufkam, an deren Ende Einigkeit aufkam, dass es global einer Energiewende bedarf. Auf einem Schild das wir sahen stand: „Wir sind keine Nazis!“ Das drückt die Empörung vieler RWE-Beschäftigter darüber aus, dass von manchen der Braunkohleabbau in einem Atemzug mit Nazis genannt wurde. Während dieser Bericht geschrieben wird, sind in Sozialen Medien Bilder zu sehen, auf denen AfDler mit eigenem Banner auf der Demo mitgingen. Wir sahen sie auch kurz, als sie sich von ihr entfernten – konnten aber nicht in Erfahrung bringen, ob sie freiwillig nach Hause gingen oder von den Ordner*innen der IG BCE verjagt wurden. Dennoch: Für viele Aktivist*innen war das Urteil sofort klar. Das macht viele Beschäftigte von RWE wütend. Ein älterer Bergmann sagte uns, dass er als Gewerkschafter bestimmt kein neues 1933 wolle. Denn dann wäre er „als Erstes weg“.

Eine sehr herzliche Diskussion ergab sich auch mit einer Kraftwerksbeschäftigten aus der Lausitz, die sich als Nichtwählerin outete und sagte, dass „sowohl im Sozialismus als auch im Kapitalismus die kleinen Leute immer die Leidtragenden“ seien und sich über die unsoziale Politik der dort regierenden LINKEN beklagte. Sie erzählte von der Arbeitslosigkeit, die in machen Ex-Bergbauregionen herrscht. Sie war offen, aber frustriert und leider von der Alternativlosigkeit der Braunkohleförderung als Übergangslösung überzeugt.

Sehr offen waren zwei Azubis aus einem Zulieferbetrieb von RWE. „Uns ist klar, dass die Braunkohle keine Zukunft mehr hat. Aber wir brauchen eine“ sagte einer von ihnen und diskutierte dann länger mit uns über Arbeitszeitverkürzung, erneuerbare Energien und internationale demokratische Wirtschaftsplanung.

Sehr oft kam die Gewaltfrage zur Sprache. Viele Beschäftigte machen die Erfahrung, von Teilen der Aktivist*innen als Feinde betrachtet zu werden. Das schlug sich in teilweise rechtslastig klingenden Plakaten gegen „Linksterror“ nieder.

Wir betonten, dass für uns nicht die Beschäftigten Gegner seien und dass die Konzerne mit ihren Profiten für den ökologischen Umbau zahlen sollten und enteignet gehören. Diese Klarstellung lockerte die Spannungen und es kam zu guten Gesprächen. Aber insgesamt ist die Identifikation der Beschäftigten mit dem Unternehmen und seiner Leitung groß. Die Rolle der IG BCE ist sicherlich der Hauptgrund dafür. Aber die Methoden mancher Teile der Umweltbewegung und Linken verstärken dies.

Leider haben auch die ver.di-Gewerkschafter*innen, die mit uns für Umweltschutz und gegen Braunkohleabbau demonstrierten, nicht den richtigen Ton getroffen. Auf ihrem Banner stand zu lesen „Kohleausstieg jetzt – aber sozialverträglich!“ – das erregte Zorn. Wissen die Beschäftigten doch selbst zu gut, dass „Sozialverträglichkeit“ eine beschönigende Beschreibung für Abfindungen bei Arbeitslosigkeit ist. Wenig weiter hielt Campact! eine Kundgebung unter dem Motto „there are no jobs on a dead planet“ („Auf einem toten Planeten gibt es keine Arbeit!“) ab. Kurz nachdem die Demo diese Kundgebung passiert hatte wurden wir von einigen Dutzend Bergleuten blockiert und am Weitergehen gehindert. Wir erklärten allen, die zuhörten, unser Programm und machten klar, dass wir für Beschäftigungsgarantie kämpfen – schließlich wurde die Blockade aufgelöst. Wäre diese Forderung nicht integraler Bestandteil unseres Programms – wie bei Campact, BUND & Co – wären wir von der Demo verjagt worden. Aber wenn wir nicht darum kämpfen würden, hätten wir auch gar nicht an der Demo teilnehmen wollen, sondern – wie die anderen Gruppen – uns darauf beschränkt, kommentierend und Flyer verteilend am Rande zu stehen.

Es war keine leichte Intervention, die wir da – noch dazu bei kaltem Regenwetter – hatten. Aber sie war notwendig, um ein politisches Signal auszusenden. Es ist ein großes Problem, dass zwischen den Interessen der Beschäftigten (die nicht arbeitslos werden wollen) und der Umweltbewegung und Linken so ein Riss entstanden ist. Zu einem großen Teil liegt das an der rechten, standortnationalistischen und arbeitgeberfreundlichen Politik der IG BCE. Diese ist nicht bereit, über die kurzfristigen Interessen der Erhaltung von Arbeitsplätzen um jeden Preis hinauszugehen, sie stellt die Profit- und Wettbewerbslogik nicht infrage. Auf der anderen Seite ignorieren die großen Umweltverbände und die Grünen die sozialen Interessen der Bergleute, die in Zeiten von Hartz IV zurecht die Arbeitslosigkeit fürchten. Zudem kommt, dass manche Aktivist*innen die Beschäftigten pauschal als Feinde betrachten und es nicht wichtig finden, Antworten auf deren Sorgen und Nöte zu geben. Daraus entsteht ein Teufelskreis, der wieder die rechte Politik der IG BCE und die Identifikation der Beschäftigten mit ihrem Arbeitgeber verstärkt.

Es wäre vermessen zu sagen, dass unsere Intervention viel verändert hat. Aber sie war ein Ansatz. Die politische Linke, die Umwelt- und Klimaschutzbewegung darf die Beschäftigten von RWE nicht rechts liegen lassen, sondern muss Antworten auf die Fragen der Zukunft der Beschäftigten geben. Hätten nicht zwanzig Leute, sondern hunderte und tausende Aktivist*innen kritisch interveniert und versucht, eine Brücke zwischen Arbeit und Umwelt zu schaffen, wäre die Wirkung zweifellos größer geworden.

Es ist wichtig, die Frage des Umwelt- und Klimaschutzes und des Kohleausstieges in die Gewerkschaftsbewegung zu tragen. Aber zugleich muss in der Umweltbewegung ein Zugehen auf die Beschäftigten und ein Ernstnehmen von deren Sorgen erfolgen.

Umwelt und Arbeit sind kein Widerspruch. Ein gutes Leben für alle und Kapitalismus wohl!