„Demokratische SozialistInnen von Amerika“ im Aufwind

By Mark Dillman [CC0], via Wikimedia Commons
Der Erfolg von Alexandria Ocasio-Cortez rückt den „demokratischen Sozialismus“ ins Rampenlicht.

von Dana White, „Socialist Alternative“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in den USA)

Ocasio-Cortez ist Mitglied der „Democratic Socialists of America“ (DSA) und konnte sich mit beeindruckenden 57,5 Prozent der Stimmen gegen Joe Crowley durchsetzen. Crowley ist ein führender Kopf des Establishments der „Demokraten“ im Repräsentantenhaus. Die Tatsache, dass Ocasio-Cortez sich bundesweit enormer Beliebtheit erfreut und dass sie den DSA angehört, hat auch das Interesse am demokratischen Sozialismus beflügelt.

Ocasio-Cortez Bezugnahme auf eine breite Schicht an „einfachen“ Leuten sowohl in New York City als auch im ganzen Land ist darauf zurückzuführen, dass ihr Wahlkampf ganz im Zeichen von radikalen Forderungen stand. Ähnlich wie im Falle von Bernie Sanders, der bei den Präsidentschafts-Vorwahlen von 2016 nur knapp gegen Hillary Clinton unterlag, steht auch Ocasio-Cortez für ein umfassendes Gesundheitssystem namens „Medicare for All“, die Abschaffung der Polizei- und Zollbehörde des Ministeriums für Innere Sicherheit (ICE), dass für Grenzsicherheit und Abschiebungen zuständig ist, kostenlose Hochschulen und bezahlbaren Wohnraum.

Würden diese Forderungen durchgesetzt, so wäre das ein enormer Schritt für die arbeitenden Menschen. Doch das würde die Wahl von standfesten KandidatInnen voraussetzen, die Spendengelder von Konzernen ablehnen und als Stimme einer Massenbewegung der Straße fungieren. Im Zuge des Linksrucks, der in letzter Zeit in den großen urbanen Zentren festzustellen ist, bestand ein erster Durchbruch darin, dass Kshama Sawant von „Socialist Alternative“ in den Stadtrat von Seattle gewählt worden ist. Das hat den Weg geebnet für den Erfolg der Basisbewegung „15 Now“ und somit für die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Dollar die Stunde in einer großen US-amerikanischen Metropole.

Sowohl der Erfolg von Ocasio-Cortez wie auch die ungeheure Zunahme einer Protest-Stimmung in der Gesellschaft zeigen das steigende Potential für die Entwicklung von Massenbewegungen. Einer Umfrage der „Washington Post“ zufolge hat sich seit 2016 eineR von fünf US-AmerikanerInnen an einem Protest oder einer politischen Kundgebung beteiligt. Millionen von Menschen sind anlässlich der Frauen-Märsche, bei den jüngsten Demonstrationen gegen Trumps ausländerfeindliche Politik, als Teil der Jugendbewegung gegen Waffengewalt und zur Unterstützung der Streiks der Lehrkräfte, die in der ersten Jahreshälfte in einer Reihe von Bundesstaaten stattgefunden haben, auf die Straße gegangen.

Unser Vorstellung vom „demokratischen Sozialismus“

Ocasio-Cortez hat vollkommen Recht, wenn sie auf den unvorstellbaren Reichtum hinweist, den es in unserer Gesellschaft gibt und der dazu dienen sollte, die Grundbedürfnisse der Menschen zu befriedigen: Gesundheitsversorgung, Lebensmittel und Wohnen. In einer demokratisch-sozialistischen Gesellschaft würde die Hochschule kostenlos sein, es gäbe eine allgemeine Gesundheitsversorgung und bezahlbaren Wohnraum, um den Bedürfnissen der großen Mehrheit der Bevölkerung gerecht werden zu können.

Eine sozialistische Gesellschaft würde jedoch noch weit darüber hinaus gehen und entschiedene Maßnahmen zur Tilgung der Armut, Beendigung von Kriegen, der „Rassen-Trennung“ und des strukturellen Sexismus ergreifen. Abgesehen davon würde unsere Infrastruktur auf der Grundlage von erneuerbaren Energien neu aufgebaut werden. Um all dies erreichen zu können, müssten die arbeitenden Menschen die volle Kontrolle über die Macht-Instanzen in der Gesellschaft erlangen. Das würde uns in die Lage versetzen, auf demokratische Weise eine bessere Welt für alle aufzubauen. Anstatt dass die Konzerninteressen über der Politik und der Wirtschaft stehen, würden wir die Banken und Großkonzerne in öffentliches Eigentum überführen.

In mehreren Interviews hat Ocasio-Cortez auf sozialdemokratische Staaten wie Norwegen und Schweden als Modell Bezug genommen. Dabei sind viele der Sozialreformen, die in diesen Ländern errungen werden konnten (z.B. allgemeine Gesundheitsversorgung), Schritt für Schritt abgebaut worden. Weltweit versuchen die Konzerne Profite mit der Gesundheit der Menschen zu machen, indem sie die öffentlichen Gesundheitssysteme privatisieren. Die Realität ist, dass der Kapitalismus in diesen Gesellschaften weiterhin tonangebend ist – selbst im Wohlfahrtsstaat. Im Kapitalismus sind alle Errungenschaften nur zeitweilig und können jederzeit wieder zurückgenommen werden.

Was fehlt?

Um die Kräfte mobilisieren zu können, die stark genug sind, um die Grundfesten dieses maroden Systems zu erschüttern, müssen wir eine politische Kraft aufbauen, die die Interessen der arbeitenden Menschen vertritt und dies unabhängig von den Konzerninteressen tut. Verbunden werden muss dieser Ansatz mit einer nachhaltigen Massenbewegung in den Betrieben, an den Schulen und Hochschulen sowie auf der Straße. In den 1960er und -70er Jahren konnten explosive soziale Bewegungen bedeutende Siege einfahren. Es war die Zeit der reaktionären Regentschaft unter Präsident Nixon. Das Recht auf Abtreibung wurde durchgesetzt, die Bürgerrechte abgesichert und das Ende des Vietnamkriegs wurde eingeläutet.

Das Versagen der Linken, diese Kämpfe miteinander zu verbinden und ihnen in einer neuen Massenpartei einen klaren politischen Ausdruck zu verleihen, war einer der Gründe dafür, dass diese Bewegungen am Ende wieder verschwunden sind. Die Unfähigkeit der politischen Linken hat verhindert, dass dem Establishment und dem Kapitalismus an sich eine entschiedene Herausforderung entgegengestellt werden konnte. Viele der in dieser Zeit errungenen Erfolge sind (wie das Recht auf Abtreibung) seither schrittweise erodiert.

Was heute nötig ist

Mit dem Widerstand, der sich heute entwickelt, existiert dasselbe Potential, um unsere Kämpfe miteinander verbinden und sie in Richtung der Formierung neuer Massenorganisationen lenken zu können. Wir stellen fest, dass der Wahlerfolg von Ocasio Cortez das Verlangen gestärkt hat, die Partei der „Demokraten“ als Vehikel zu nutzen, um eine sozialistische Herausforderung zu erschaffen. Je stärker sich diese Herausforderung aber entwickelt, desto stärker wird sie auf die Grenzen stoßen, die ihr aufgrund der Kontrolle gesetzt werden, die die Konzerne über diese Partei haben. Aktuell ist es am wichtigsten, so breit wie möglich für Proteste zu mobilisieren, um für das Bündnis von Ocasio Cortez zu kämpfen. Der Kampf wird an Intensität zunehmen, wenn sie und andere, die sich selbst als „demokratische SozialistInnen“ beschreiben, nach den Kongresswahlen im Herbst gewählt werden. Die Macht, eine bessere Welt für alle zu erreichen, liegt in den Händen der Millionen von arbeitenden Menschen und jungen Leute, die bereits damit begonnen haben, sich an Aktionen bzw. Bewegungen zu beteiligen. Sie haben das Potential, diesem System aus Unterdrückung und Ausbeutung ein für alle Mal ein Ende zu setzen.