G20-Proteste: „Nicht nur Szenelinke ansprechen“

Interview mit Nils von „SchülerInnen und Azubis gegen G20”

Nils, wenn du Leuten, die sich nicht als Teil der linken Szene verstehen, erklären sollst, warum es richtig ist, gegen die G20 zu demonstrieren, was sagst du ihnen?

Beim G20-Gipfel treffen sich die Staatschefs von 19 Ländern und VertreterInnen der EU, die zusammen zwei Drittel der Weltbevölkerung und neunzig Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts auf sich vereinen und sich anmaßen, in exklusiver Runde über die Probleme der Welt reden zu wollen. Dabei muss man aber feststellen, dass die Probleme der Regierungschefs nicht die wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich oder die Menschenrechtsverletzungen der verschiedenen Mitgliedsstaaten sind, sondern wie sie ihre Einflusssphären untereinander aufteilen und die Profite ihrer nationalen Kapitalisten vergrößern können. Trump, Putin, Erdogan und Merkel sind unsere Probleme egal. Während in der Türkei gerade die gesamte Opposition weg gesperrt wird und das Land in eine Diktatur umgebaut wird, macht Merkel mit Erdogan noch Deals, um Refugees erst gar nicht nach Europa rein zu lassen. Und Rheinmetall plant eine Panzerfabrik genau in diesem Land, damit die Lieferwege kürzer werden. Es wird Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung geschürt und die Folgen werden ignoriert. Für uns, als normale Bevölkerung kann gar nichts Positives bei diesem Gipfel herauskommen, da die Fragen nur sein werden, wie sie uns besser in Schach halten und dabei die Profite steigern können, ohne Rücksicht auf soziale Gerechtigkeit oder ökologische Nachhaltigkeit.

Deswegen ist es wichtig, dass wir eine starke Gegenöffentlichkeit aufbauen und aufzeigen, dass die für uns wirklich wichtigen Probleme auf diesem Treffen nicht ernsthaft behandelt, geschweige denn gelöst werden. Dazu kommt noch die Komponente, dass dieser Gipfel, wie fast jedes solcher Treffen ungeheuer viel Geld verschlingen wird, das an anderer Stelle fehlt. Für soziale Projekte sei kein Geld da, wird uns immer gesagt, aber für solche Gipfel dann plötzlich schon. In Hamburg ist das gerade besonders perfide, da eben erst eine überteuerte Elbphilharmonie fertig gestellt worden ist. Um ein Zeichen gegen die Politik im Interesse der Reichen und Konzerne zu setzen, müssen wir uns organisieren und alle gemeinsam auf die Straße gehen.

Was ist genau an Protesten geplant?

Zum G20- Gipfel sind eine Vielzahl von Protesten und Demonstrationen geplant. Von Aktionen des zivilen Ungehorsams über einen Alternativgipfel und Kundgebungen bis zu Großdemonstrationen wird alles dabei sein. Höhepunkt wird eindeutig die Großdemo unter dem Motto „Grenzenlose Solidarität statt G20“ sein, an der sich auch DIE LINKE und Linksjugend [’solid] beteiligen. Sie wird die zentrale Möglichkeit sein, mit zehntausenden Menschen unseren Protest gegen die Politik der G20 zum Ausdruck zu bringen. Außerdem ist für den 7. Juli ein Bildungsstreik geplant, für den die Mobilisierung gerade anläuft.

Was ist der politische Grund dafür, dass es zwei Großdemonstrationen am 2. Juli und am 8. Juli gibt?

Während der Aufruf für die Demo „Grenzenlose Solidarität statt G20“ am 8. Juli die grundlegend gegensätzlichen Interessen der Weltbevölkerung und der G20-VertreterInnen aufzeigt, erhoffen sich die Beteiligten an der „Protestwelle gegen G20“ am 2. Juli durch ihre Forderungen noch positiven Einfluss auf das Treffen zu nehmen. So schreibt beispielsweise Campact: „Dass sich die Mächtigsten der Welt treffen, ist gut und richtig. Denn um globale Probleme anzugehen, ist internationale Kooperation dringend nötig. Das Treffen der großen Industrie- und Schwellenländer könnte dabei eine wichtige Rolle spielen. Doch die bisherige Politik der G20 ignoriert die globalen Probleme und liefert keine Lösungen.“

Die „Protestwelle“ wird von NGOs wie Greenpeace oder dem BUND getragen, aber auch von den Grünen. Die Initiatoren wollen ein paar Reförmchen hier und da, um die Welt gerechter zu machen, erkennen aber nicht an, dass viele unserer Probleme durch den Kapitalismus verursacht werden.

Besonders schade ist, dass auch der DGB Nord nur zu dieser Demo aufruft, was innerhalb der Gewerkschaften stark kritisiert werden muss. Außerdem ermöglicht diese Demo der Regierung und den Sicherheitsbehörden in Hamburg, die Proteste in “Gut und Böse” zu spalten. Auf der einen Seite der gute Protest von den „Gemäßigten“ und eine Woche später zum Zeitpunkt des Gipfeltreffens von den „Krawallmachern“. Deswegen sehe ich die Demo am 8. Juli auch als wesentlich wichtiger an, da schon der Aufruf politisch deutlich schärfer und präziser ist und auch nicht in die Illusion verfällt, das G20-Treffen könnte auf der Welt wirklich was zum Besseren wenden.

Es scheint, als wolle die Hamburger Regierung die halbe Stadt zur Gefahrenzone erklären. Wie kann das Recht auf Demonstration und Protest durchgesetzt werden?

Die Hamburger Sicherheitsbehörden setzen alles daran, ein Horrorszenario von den Protesten zu malen, um starke Repressionen während des Gipfels schon vorher zu legitimieren. Mit zum Konzept gehören Verhinderungen von Demonstration oder Teilen davon, als auch massive Einschüchterung, wie zum Beispiel die Behauptung von Innensenator Grote, dass jede/r, der/die versucht den Gipfel zu blockieren, mit Erschießung durch Trumps Bodyguards rechnen müsse. Auch ein Protestcamp wird mit der Begründung verboten, dass das erhebliche Sicherheitsrisiken für die Stadt bedeuten würde. Erkämpft werden die Demonstrationen teilweise vor Gericht, aber hauptsächlich, indem wir uns das Recht auf demonstrieren nehmen, auf die Straße gehen und uns von den Sicherheitsbehörden nicht einschüchtern lassen. Hier liegt es auch an den Gewerkschaften, ihre Mitglieder zu mobilisieren und, wie die DGB-Jugend Nord und die Hamburger GEW, zur Großdemo am 8. Juli aufzurufen.

Du bist bei „SchülerInnen und Azubis gegen G20“ aktiv. Was plant ihr?

Bei “SchülerInnen und Azubis gegen G20” versuchen wir, Schichten zu mobilisieren, die nicht unbedingt von der Szenelinken angesprochen werden. Dafür planen wir verschiedene Mobilisierungsaktionen, wie zum Beispiel Straßentheater oder „Grillen gegen G20“, um vor allem mit Jugendlichen in Kontakt zu kommen und sie über G20 und deren neoliberale Politik zu informieren.

Während des Gipfels selbst wollen wir uns an der Großdemonstration am 8. Juli und dem Schulstreik am 7. Juli beteiligen. Wir planen auch eine dauerhafte Kundgebung als Anlaufstelle, Rückzugsort und Möglichkeit für Diskussionen.

Mehr Infos:
gemeinsam-gegen-g20@gmx.de