BRICS-Staaten: Heftiger Abschwung

„2012 BRICS Summit“ von Roberto Stuckert Filho - Presidency of the Republic (Brazil) - Agência Brasil. Lizenziert unter CC BY 3.0 br über Wikimedia Commons - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2012_BRICS_Summit.jpg#/media/File:2012_BRICS_Summit.jpg
„2012 BRICS Summit“ von Roberto Stuckert Filho – Presidency of the Republic (Brazil) – Agência Brasil. Lizenziert unter CC BY 3.0 br über Wikimedia Commons – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2012_BRICS_Summit.jpg#/media/File:2012_BRICS_Summit.jpg

Die Wachstumsmaschine gerät ins Stocken

Zuletzt galten die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und – seit einiger Zeit auch noch – Südafrika) als die Motoren der Weltwirtschaft. Jetzt scheint bei ihnen nicht nur Sand ins Getriebe geraten zu sein, sie drohen auch zu neuen Krisenherden zu werden.

von Per-Åke Westerlund

Die Hauptsorge gilt dabei China, dem wichtigsten der BRICS-Staaten. Diese fünf Länder dominieren die sogenannten „emerging markets“ („aufstrebenden Märkte“), und die meisten von ihnen sind aufgrund erheblicher Kapitalflucht sowie des Preissturzes auf den Rohstoffmärkten schwer gezeichnet.

Wachstumsmotoren stottern

In den vergangenen 15 Jahren hatten die sogenannten „emerging markets“ ein Wirtschaftswachstum vorzuweisen, das doppelt so schnell wuchs wie das der entwickelten kapitalistischen Länder. Das galt sowohl vor wie auch nach der Wirtschaftskrise von 2008/09.

Es wird davon ausgegangen, dass die Wachstumsrate in diesen Ländern dieses Jahr zum sechsten Mal in Folge sinken und bei 3,6 Prozent rangieren wird.

Innerhalb der Gruppe der „Schwellenländer“ haben gerade auch die BRICS-Staaten einen heftigen Abschwung erlebt. Die ursprünglichen vier BRICS-Staaten (ein Begriff übrigens, der von „Goldman Sachs“ erst im Jahre 2001 geprägt worden ist) stehen für 23 Prozent des weltweiten Wirtschaftswachstums zwischen 2000 und 2014 mit einem Gesamt-BIP von 20 Prozent am globalen Bruttoinlandsprodukt.

Vergleicht man die Jahre 2006 und 2010 mit 2015, so zeigt sich, wie stark die Abwärtsentwicklung ausfällt. Im Falle Brasiliens liegen die entsprechenden Wachstumsraten bei sechs Prozent, 7,6 Prozent beziehungsweise minus 2,61 Prozent (im zweiten Quartal 2015). Die Krise spitzt sich weiter zu. Der Export von Eisenerz von Brasilien nach China ist im ersten Quartal dieses Jahres um 47 Prozent zurückgegangen. Prognosen gehen davon aus, dass es zu einem weiteren Rückgang von zwei oder mehr Prozent in diesem Jahr kommen wird. Die brasilianische Währung namens „Real“ hat in nur zwei Jahren die Hälfte ihres Wertes verloren. Der ehemalige Export-Champion verzeichnet nun ein Handelsdefizit.

In Russland fällt der Rückgang ähnlich aus. Dort lag das Wachstum im Jahr 2006 noch bei 8,5 Prozent, 2010 rangierte es bei 4,5 Prozent und im zweiten Quartal dieses Jahres liegt es bei minus 4,6 Prozent. Für Indien galten 2006 noch 10,1 Prozent und aktuell 7,5 Prozent. China rutschte vom Höchstwert 10,7 Prozent auf sieben Prozent ab. Dabei handelt es sich allerdings nur um die offiziellen Zahlen. Andere Daten, die den Rückgang beim Stromverbrauch, Gütertransport und den Erzeugerpreisen mit einbeziehen, weisen darauf hin, dass das chinesische Wachstum bei vier Prozent oder weniger anzusiedeln ist.

Enorme Schuldenlast

In schnellerem Tempo als das jeweilige BIP-Wachstum sind die Schulden der Schwellenländer gestiegen. Durch das „quantitative easing“ (Erhöhung der Geldmenge) in den USA und in anderen Ländern ist Kapital ins Kreditwesen, den Aktienhandel, Direktinvestitionen sowie Staatsanleihen geflossen. (Der Aktienmarkt in den Schwellenländer hat sich von 2010 bis 2014 verdoppelt.)

Jetzt hat sich die Fließrichtung umgekehrt. Bis August 2015 sind 40 Milliarden US-Dollar vom Aktienmarkt in den Schwellenländern abgezogen worden. Das sind 40 Prozent des Zustroms der Jahre 2009 bis 2013.

Die Gesamtschulden der Haushalte, Unternehmen außerhalb der Finanzmärkte und des Staates sind im Vergleich zum jeweiligen BIP dieser Länder auf dramatische Weise gestiegen. In Malaysia stieg das Verhältnis von 49 Prozent auf 222 Prozent und in Thailand von 43 Prozent auf nun 187 Prozent. In Taiwan ist dieser Wert um mehr als das Zehnfache von 16 Prozent auf 178 Prozent angestiegen, in Südkorea von 45 Prozent auf 231 Prozent und in Brasilien von 27 Prozent auf 128 Prozent des BIP. (Alle Zahlen aus „Financial Times“, 2. April 2015). Chinas Schulden sind im Verhältnis zum BIP von 83 Prozent auf 250 Prozent angestiegen, nach einigen Schätzungen sogar noch mehr.

Währungsabwertungen

Es ist in diesem Jahr bereits zu einer ganzen Welle von Währungsabwertungen gekommen. Nach der überraschenden Abwertung des Yuan in China im August, haben acht andere Länder ihre Währungen nach unten korrigiert, darunter Indonesien, Thailand, Vietnam (zum dritten Mal in diesem Jahr) und Kasachstan.

Der erhoffte Effekt, ein Anschub für die Exportwirtschaft, ist allerdings ausgeblieben. Stattdessen haben die schwächeren Währungen zu Rückgängen bei den Importen geführt und demzufolge den Welthandel abflauen lassen.

Höhere Zinsen?

Die Tatsache, dass seit 2008 ein unglaubliches Gemisch an finanzpolitischen Maßnahmen zur Anwendung gekommen ist (vom „quantitative easing“ über Zinsen bei oder gar unter null und Maßnahmen zur Rettung von Bankhäusern etc.) hat vermutlich dazu geführt, dass die schwerwiegende Krise nicht wie in den 1930er Jahren in einer Depression sondern in einer „Großen Rezession“ gemündet ist.

Seit 2006 hat die US-Notenbank „Fed“ den Leitzins nicht mehr erhöht und ihn in den letzten sieben Jahren zwischen null und 0,25 Prozent hin- und herbewegt. Das Hauptargument für eine Anhebung ist die Angst vor neuen, möglicherweise noch größeren Finanzblasen und die Notwendigkeit, zur „Normalität“ zurückkehren zu müssen. Doch der jüngste Tumult – vor allem die immensen Verluste auf den chinesischen Börsen und die dortige Währungsabwertung – lässt eine Zinserhöhung in den USA erneut unwahrscheinlich werden.

Politische Folgen

In bis zu neunzig Ländern ist es in den vergangenen fünf Jahren zu Protestwellen und Revolten gekommen, die Massen-Charakter hatten, darunter Tunesien, Ägypten, die Türkei, Brasilien etc.

Die Massen haben gezeigt, dass sie zu kämpfen bereit sind. Darüber hinaus sind auch neue Kräfte und Strömungen entstanden, die darauf hindeuten, wie stark der Wille ist, eine neue linke politische Alternative zu finden. Von diesen neuen Ansätzen haben allerdings nur wenige eine echte Alternative zum Kapitalismus anzubieten oder machen den Versuch, die Arbeiterklasse zu organisieren.

Mögliche neue Wendungen in der Weltwirtschaft werden neue politische Folgen haben. Eine größere Schicht als vorher wird den Kapitalismus als Ursache für Krisen begreifen und verstehen, dass es nötig ist zu einer sozialistischen Alternative zu kommen.

Per-Åke Westerlund ist Sprecher der Sozialistischen Gerechtigkeitspartei in Schweden