Fünftägiger Streik bringt Genua zum Erliegen

Privatisierung des öffentlichen Nahverkehrs verschoben

Interview von „Offensiv“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Schweden) mit Marco Veruggio von „ControCorrente“ (SAV-Schwesterorganisation und CWI-Sektion in Italien)

Aufgrund eines fünftägigen regionalen Streiks ist Genua im November lahmgelegt worden, ganz Italien war betroffen. Mehrere Tausend Kommunalbeschäftigte protestierten gegen die Privatisierung des öffentlichen Nahverkehrs sowie gegen Austerität und Kürzungen.

„Im Mai 2012 wurde Marco Doria zum neuen Bürgermeister gewählt. Er war ein linker Kandidat, der versprochen hat, den öffentlichen Sektor zu verteidigen. Doch stattdessen führte er Privatisierungen durch. Und in diesem Jahr schlug er dann vor, im Prinzip alle öffentlichen Dienste zu privatisieren“, erklärt Marco Veruggio von „ControCorrente“ (der Sektion des „Committee for a Workers´ International“ / „Komitee für eine Arbeiterinternationale“ in Italien). „ControCorrente“ hat mehrere Mitglieder, die im öffentlichen Nahverkehr und anderen Bereichen der städtischen Betriebe arbeiten.

Zu den Plänen des Bürgermeisters zählt auch, beim städtischen Opernhaus „Carlo Fellici“ 50 KollegInnen entlassen, die Müllabfuhr und den öffentlichen Personennahverkehr mit Straßenbahnen, Buslinien, U-Bahnen sowie Fahrstühlen, die an den Hängen rund um die Stadt eingesetzt werden, privatisieren sowie umfangreiche Kürzungen durchführen zu wollen.

Im August brachten Mitglieder von „ControCorrente“ eine Petition für Streikaktionen gegen o.g. Pläne ein. Im Bereich der Müllabfuhr unterschrieben ein Viertel der KollegInnen (410 von 1600 Beschäftigten) für Streikaktionen.

„Als die Pläne im August bekannt wurden, besetzten Beschäftigte der Entsorgungsbetriebe das Rathaus und stoppten die Entscheidung. Tags darauf wurde die Polizei gegen MitarbeiterInnen des Bauhofs eingesetzt, aber die Entscheidung blieb weiterhin vertagt auf den September und wurde dann bis zum November verschoben.“, so Marco.

Jetzt fiel die Reaktion der Beschäftigten noch stärker aus. „Am 19. November besetzten 800 ArbeiterInnen das Rathaus, und die entsprechende Sitzung musste erneut verschoben werden. Es kam zu Wilden Streiks und die Stadt wurde fünf Tage lang lahmgelegt“.

Den Streikenden im Transportwesen schlossen sich MüllwerkerInnen und KollegInnen von den kommunalen Bauhöfen an. Bei den städtischen Betrieben AMT sind 2.300 Menschen beschäftigt. „In Genua aber auch in ganz Italien wurden die Streikenden unterstützt. Solidarität kam von den MetallarbeiterInnen und den HafenarbeiterInnen, Studierenden, TaxifahrerInnen und aus weiteren Branchen. Die TaxifahrerInnen schickten Delegierte zu den Demonstrationen der streikenden BusfahrerInnen. Die Wut richtete sich sowohl gegen Stadtverwaltung als auch gegen die Gewerkschaft. Die Gewerkschaftsspitze wurde unter Druck gesetzt, den Streik zu unterstützen, aber ohne klare Forderungen und Strategie für den Streik.“

Unterdessen intervenierte der Präfekt (in Italien der Repräsentant des Staates in den Regionen) und bürdete den Streikenden eine Strafe von 500 Euro bis 1.000 Euro pro Person auf. „Nach fünf Tagen wurde der Streik abgesagt, und es kam zu keinen Verhandlungen. Viele ArbeiterInnen beschwerten sich über das Ergebnis, schließlich waren damit die umfassenden Privatisierungen und das Kürzungsprogramm nicht vollkommen vom Tisch. Jetzt ist die Privatisierung erneut verschoben, weil das Privatunternehmen, das den Betrieb übernehmen sollte, zurückgezogen hat!“

Schon 2004 hatte es in Genua eine Privatisierungswelle im öffentlichen Personennahverkehr gegeben. Danach sind die Gewerkschaften jedoch gezwungen worden, mit ihrer Unterstützung für die AMT-Firmenpolitik aufzuhören. Unter dem Druck, den die Basis im Jahr 2011 aufbaute, musste die Stadt die privatisierten Teile re-kommunalisieren.

„Das wichtigste hinsichtlich des Streiks ist, dass dieser gezeigt hat, welche Macht die Beschäftigten haben. In anderen Landesteilen wurden Solidaritätserklärungen und -aktionen organisiert. Viele in Genua hatten das Gefühl, dass der Streik zum Funken werden könne, der ein Lauffeuer in ganz Italien hätte verbreiten können“. Am 5. Dezember folgten die BusfahrerInnen in Florenz dem Beispiel Genuas. Sie traten für zwei Tage in einen wilden Streik und stoppten damit die Umsetzung von Kürzungen sowie von Entlassungen.

„Der fünftägige Kampf hat auch das Potential, die WerftarbeiterInnen der Stadt zu motivieren. Ihnen drohen neue Versuche, ihre staatliche Werft zu privatisieren. >ControCorrente< war die einzige politische Organisation, die sich an dem Streik beteiligt hat. Unsere Mitglieder waren selbst mit aller Kraft an der Organisierung des Streiks und der Solidaritätsaktionen beteiligt. Unsere Plakate waren überall zu sehen: an Türen, Bussen und sogar auf der Kleindung der Streikenden und DemonstrantInnen!“

Tiefgreifende Krise – der Kampf verschärft sich

Italien gehört zu den am schwersten von der Krise des Kapitalismus getroffenen Ländern, die 2007einsetzte. Die Industrieproduktion ist seither um 25 Prozent zurückgegangen. Gleichzeitig ist es im Land nicht zu vergleichbaren Kämpfen gekommen wie in Griechenland, Spanien oder Portugal. Ein wesentlicher Grund dafür ist die Krise der Linken und vor allem die von „Rifondazione Comunista“.

Am 19. Oktober demonstrierten 50.000 Menschen in Rom gegen die Regierung und die Folgen der Krise. Organisiert wurde der Protestmarsch von den sogenannten „Basisgewerkschaften“, Streikenden und sozialen Bewegungen. Tags zuvor war es zu einigen schlagkräftigen Streiks gekommen.