Das Beispiel von VIOMET in Griechenland

Wenn die Kapitalisten nicht „können“, dann können die Arbeitnehmer!

von Jannis Pistolis und Nikos Anastasiadis (Thessaloniki)

Wir veröffentlichen hier einen Artikel vom 22. und 24. Juli der Webseite Xekinima, von der griechischen Sektion des CWI und Schwesterorganisation der SAV in Griechenland. So weit wir wissen, hält die Besetzung des Betriebes an und die Beschäftigten sind weiterhin auf Solidarität angewiesen. (Redaktion von sozialismus.info)

Seit über zwei Jahren hat die griechische Gesellschaft einen noch nicht dagewesenen Angriff von Seiten des griechischen und des europäischen Kapitals erlebt. Die Arbeitslosigkeit steigt tagtäglich, Unternehmen schließen massenhaft und ein gewaltiger Teil der Gesellschaft wird zu Armut und Verarmung gezwungen. Als Ergebnis dessen suchen große Teile der Arbeitnehmer nach Antworten auf die Frage, wie dieser Angriff zurückgeschlagen werden kann.

Mitten in diesen Verhältnissen kam der Beschluss der Betriebsgewerkschaft des Unternehmens Viomichaniki Metalleftiki (VIOMET), eines Unternehmens der Metallindustrie in Thessaloniki, selbst die Produktion und die Verwaltung der Fabrik zu übernehmen. Dies kann ein wichtiges Beispiel sein dafür, dass für große Teile der Arbeiterbewegung sich ein Weg öffnet.

14 Monate ohne Bezahlung

Das Unternehmen VIOMET, eine Fabrik, die Baumaterialien produziert, war bis 2009 ein gewinnbringendes Unternehmen und von 2000 bis 2006 hatte es eine Gewinnsteigerung um 118 %, wie die Arbeitnehmer selbst erklären. Ab 2010 und danach „entdeckt“ die Muttergesellschaft Philkeram Johnson, dass VIOMET verschuldet sei mit Krediten in Höhe von 1,9 Mio. €. Und als Ergebnis dessen schreitet das Unternehmen im Mai 2011 zur Einstellung der Lohn-und Gehaltszahlungen an die Arbeitnehmer und gibt die Fabrik auf.

Die Antwort der Arbeitnehmer kam direkt durch Streiks, einen Bummelstreik und schließlich die Besetzung der Fabrik, für Auszahlung der Löhne und die Wiederinbetriebnahme der Fabrik. Sie schufen sogar eine Kasse zur gegenseitigen Hilfe zur Unterstützung ihres Kampfes. Ebenfalls gingen sie dazu über, Schichten zu bilden zur Bewachung und zur Instandhaltung der Maschinen der Fabrik.

Nachdem die Betriebsgewerkschaft aufgerufen hatte, den Kampf zu unterstützen, wurde in Thessaloniki ein Solidaritätskomitee gegründet. Es haben bereits zwei Versammlungen stattgefunden, die über die Forderungen der Betriebsgewerkschaft diskutierten sowie darüber, welche Aktivitäten durchgeführt werden müssen, um den Kampf der ArbeiterInnen zu unterstützen. Es wurde auch ein Konto zur finanziellen Unterstützung eröffnet. Ebenso wurden Lebensmittel und andere Produkte gesammelt.

Die Vorschläge der ArbeiterInnen

Die ArbeiterInnen stellten aufgrund ihrer Erfahrung die Forderung nach Selbstverwaltung auf. Zuerst bemühten sie sich darum, Druck auf die Betriebsleitung auszuüben, die Fabrik wieder in Betrieb zu nehmen. Danach bemühten sie sich darum, mögliche Investoren zu finden. Alle ihre Anstrengungen scheiterten jedoch. So haben sie die Schlussfolgerung daraus gezogen, dass die einzige Lösung, die ihre Arbeitsplätze retten kann, die ist, selbst die Fabrik zu übernehmen. Nach 13 Monaten Besetzung der Fabrik stellten sie auf ihrer Vollversammlung folgende Forderungen auf:

  1. Abbezahlung aller antizipativen Passiva durch die frühere Betriebsleitung der Fabrik. Die frühere Betriebsleitung muss die Schulden des Unternehmens komplett übernehmen.
  2. Rücktritt des früheren Verwaltungsrates und Wahl eines neuen, der hauptsächlich aus Vertretern der ArbeiterInnen bestehen wird. Der neue Verwaltungsrat wird gewählt und direkt abrufbar sein durch die Vollversammlung der ArbeiterInnen
  3. Prinzipielle Finanzierung der „neuen“ Gesellschaft durch das Arbeitslosengeld, auf das die Arbeitnehmer Anspruch haben, und Zahlung des Zuschusses für arbeitslose Unternehmer durch das Arbeitsamt (OAED).
  4. Die Aktien der Gesellschaft sollen unter den ArbeiterInnen genossenschaftlich aufgeteilt werden. Alle diejenigen, die keine Aktien übernehmen wollen, werden die Arbeit in der Fabrik fortsetzen gemäß dem kollektiven Tarifvertrag.
  5. Schaffung eines rechtlichen Rahmens, der die Genossenschaft der ArbeiterInnen im Bereich der Industrie erlaubt.

Das Unternehmen, das die ArbeiterInnen aufzubauen versuchen, hat eine sehr große Bedeutung. Sein Erfolg kann ein Beispiel für alle ArbeiterInnen schaffen, die in diesem Moment angegriffen werden, und er kann eine Dynamik hervorrufen zur Ausbreitung der Arbeiterverwaltung und der Arbeiterkontrolle auch in anderen Fabriken und anderen Arbeitsstätten.

Deshalb ist es von Bedeutung, dass wir alle gemeinsam für den Erfolg des Unternehmens kämpfen. Dieser Kampf kann, wie auch so viele andere, sich nicht einfach auf der Ebene einer Fabrik entscheiden. Es ist eine Ausweitung auf andere Arbeitsstätten notwendig. Ebenso die aktive Unterstützung der Arbeiter- und der sozialen Bewegungen in Thessaloniki, wie auch der Kampf für eine Regierung der Linken, die auf zentraler Ebene die Errungenschaften der Arbeitnehmer absichert.

Klar muss jedoch auch sein, dass der Weg zur Arbeiterkontrolle und –verwaltung nicht auf Rosen gebettet ist. Ganz im Gegenteil.

Es ist sicher und steht ganz außer Zweifel, dass die frühere Unternehmensverwaltung Alles tun wird, die Anstrengungen der ArbeiterInnen zu unterbrechen und zu sabotieren. Das griechische und europäische Kapital will auf jeden Fall nicht, dass eine solche Bewegung Erfolg hat. Denn sie berührt direkt ihre Interessen und unter den Verhältnissen in Griechenland kann sich eine solche Bewegung direkt ausbreiten und kann schnell viele andere Bereiche erfassen.

Die Eigentümergesellschaft wird, in dem Grade, in dem die ArbeiterInnen selbst zur Eröffnung der Produktion unter ihrer eigenen Kontrolle und Verwaltung voranschreiten, Himmel und Erde in Bewegung setzen, um sie zu stoppen: Sie wird anstreben, jegliche staatliche oder Bankenfinanzierung zu stoppen, die Lieferung von Rohstoffen zu stoppen oder Probleme bei der Zurverfügungstellung der fertigen Produkte zu schaffen. Sie wird die Regierung, die Justiz und die Polizei finanzieren, damit sie das neue Projekt der Arbeitnehmer des Betriebes angreifen.

Aus diesen Gründen muss man sich auf eine solche Konfrontation vorbereiten:

  • Man muss sich an die gesamte Gesellschaft von Thessaloniki wenden, damit sie praktisch dieses Projekt unterstützt, um die Sabotage der Bosse ins Leere laufen zu lassen.
  • Man muss einen Aufruf an andere Fabriken richten, die ähnliche Probleme haben, mit dem Ziel, dass sich die Bewegung ausbreitet.
  • Bei allen Fabriken, die schließen, verlagert werden oder Insolvenz anmelden, müssen die Arbeitnehmer fordern, dass diese Fabriken, in ihre Hände übergehen und in den Besitz der Gesellschaft. (Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle und –verwaltung.)
  • Man muss auch die finanzielle Unterstützung dieser Fabriken durch die Zentralregierung und die örtliche/regionale Selbstverwaltung (Kommunale Selbstverwaltung) fordern. Es kann nicht sein, dass die Regierungen mit riesigen Krediten und Steuerbefreiungen die Kapitalisten bedienen, und wenn die Arbeitnehmer darum kämpfen, ihre Arbeitsplätze zu retten, dass der Staat auf sie einschlägt.

So etwas ist sicherlich mit den konkreten heutigen Regierungen, die wir haben, praktisch unmöglich. Deshalb stellt sich unvermeidlich die Notwendigkeit, dass die ArbeiterInnen ihren Kampf zur Rettung der Unternehmen und ihrer Arbeitsplätze mit dem Kampf für eine Regierung der Linken verbinden, von der die Bewegung die Umsetzung eines sozialistischen Arbeiter-Klassen-Programms fordern wird.

Ein solches Programm sollte unter Anderem folgende Punkte umfassen:

  • Verstaatlichung des Bankensystems
  • Schaffung eines „Einheitlichen Staatlichen Trägers“ in der Branche der Produktion.
  • Verstaatlichung der großen Produktionsgesellschaften und Ausarbeitung eines Programms massenhafter Investitionen im Interesse der Gesellschaft.
  • Schaffung einer Quelle der Entwicklung und der Schaffung von Arbeitsplätzen, ohne Konkurrenz zwischen ähnlichen Unternehmen, eine Konkurrenz, die der Kapitalismus vorantreibt.

Schließlich darf es keinen Zweifel geben an der gewaltigen internationalen Solidarität, die eine solche Anstrengung finden wird. Viele Blicke werden auf Griechenland gerichtet sein und die Menschen werden dazu bereit sein, solche Projekte praktisch zu unterstützen. So etwas fand unter ähnlichen Umständen in Argentinien statt während der Krise von 2001. Außerdem gibt es auch anderswo ähnliche Bewegungen. Die letzte war die Bewegung der ArbeiterInnen von ArcelorMittal in Belgien, die für die Verstaatlichung ihrer Fabrik kämpfen.

Übersetzung aus dem Neugriechischen von Hubert Schönthaler