Berlin: Voller Erfolg für den Wasservolksentscheid

Heftige Schlappe für Rot-Rot


 

Einen bahnbrechenden Erfolg feierten die Initiatoren des Volksentscheids „Unser Wasser“ und mit ihnen viele Berlinerinnen und Berliner am Sonntag abend, als klar wurde, dass 665.713 BerlinerInnen für die Offenlegung aller Geheimverträge im Zuge der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe zwischen Berliner Senat und den privaten Investoren Veolia und RWE gestimmt haben.

von Lucy Redler, Mitglied der SAV und der LINKE Berlin-Neukölln

98 Prozent aller TeilnehmerInnen am Volksentscheid sagten „Ja“ zur Offenlegung der Verträge und damit gegen die Position des rot-roten Senats, der auf dem Abstimmungszettel mit fadenscheinigen Argumenten dafür argumentiert hatte, mit Nein zu stimmen.

Anstieg der Wasserpreise um 35 Prozent

Die hohe Zustimmung lässt sich vor allem mit den gestiegenen Wasserpreisen seit der Teilprivatisierung im Jahr 1999 erklären. Damals wurde unter der Großen Koalition 49,9 Prozent der Wasserbetriebe an Veolia und RWE verkauft und im Zuge dessen Geheimverträge abgeschlossen, die den privaten Investoren lukrative Renditegarantien in Höhe von acht Prozent für 28 Jahre sicherten. Das Teilprivatisierungsgesetz wurde 2004 unter dem SPD/PDS-Senat novelliert. Allein im Jahr 2004 brachte es RWE auf einen Gewinn von mehr als 1,6 Milliarden Euro bundesweit.

Zahlen mussten dafür die Berlinerinnen und Berlinen: Seit 1999 stiegen die Wasserpreise um mehr als ein Drittel. Tausend Arbeitsplätze wurden abgebaut, Investitionen im Leitungsnetz gekürzt.

Am eigenen Leib konnten die BerlinerInnen erfahren, dass Privatisierung Diebstahl öffentlichen Eigentums bedeutet.

Damit, dass das notwendige Quorum von 25 Prozent Ja-Stimmen aller Wahlberechtigten am Volksentscheid erfolgreich erfüllt wurde, hatten wohl die Wenigsten gerechnet angesichts weniger Plakate in der Stadt, einem Etat der Initiative von nur 12.000 Euro und der Verwirrung, die auch die Spitze der DIE LINKE Berlin mit der Behautptung, der Volksentscheid sei überflüssig, im Vorhinein gestiftet hatte.

Alles schon offengelegt?

Der Senat und allen voran Wirtschaftsminister Harald Wolf (DIE LINKE) hatten argumentiert, dass die Offenlegung der Verträge gar nicht nötig sei, weil der Senat ja bereits die wichtigsten Verträge veröffentlicht habe. Dass dies nur aufgrund des Druck geschah, den der Berliner Wassertisch und viele AktivistInnen durch das erfolgreiche Volksbegehren im Oktober 2010 ausgeübt hatten, verschweigen Wolf und Wowereit gern. Doch selbst wenn Wolf und Wowereit Recht hätten: Warum stimmten sie dann nicht mit Ja? Harald Wolf war sich nicht zu schade, kurz vor dem Volksentscheid öffentlich zu verkünden, dass er nicht an der Abstimmung teilnehmen werde. Von der SPD mal ganz zu schweigen.

Die Initiatoren des Volksentscheids argumentieren dagegen, dass es alles andere als sicher ist, dass die Verträge vollständig inklusive aller Nebenabreden offengelegt wurden. Diese Sorgen wurden zwei Tage vor dem Volksentscheid nochmal bestätigt, als die Nachrichtenagentur dapd verlautbarte, dass fünf Verträge immer noch nicht einsehbar seien.

Der Berliner Wassertisch kommentiert: „Der Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zum Jahresabschluss der Berlinwasser Holding AG aus dem Jahr 1999 listet unter dem Kapitel "Wichtige Verträge des Geschäftsjahres" – neben dem vom Senat veröffentlichten Konsortialvertrag – unter anderem einen "Nachgründungsvertrag" aus 1999 auf. Darin werden etwa Kapitalerhöhungen und sogenannte Gewinnbezugsrechte geregelt. Ein "Entnahmevertrag" legte "Dividendenbezugsrechte" fest, die dem Land Berlin zustünden.“

Der Senat konterte diese Argumente mit der Behauptung, bei den noch nicht veröffentlichten Verträgen handele es sich um „rein konzerninterne Unterlagen“.

Doch auch wenn das juristisch stimmt: Politisch ist es ein Skandal, dass immer noch Geheimverträge existieren, die dazu führen, dass die Berliner Bevölkerung für die Gewinngarantien der privaten Investoren blechen – egal ob das in einem konzerninternen Vertrag steht oder nicht.

Position der LINKEN

Während einige Bezirksverbände der LINKE Berlin wie Neukölln, Spandau, Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf die Kampagne zur Offenlegung der Wasserverträge aktiv unterstützt hatten, argumentierte die LINKE-Spitze dafür, sich bei der Abstimmung zu enthalten. Manche Regierungsbefürworter wie Halina Wawzyniak (stellvertretende Parteivorsitzende und dem Forum demokratischer Sozialismus zugehörig) waren sich nicht zu schade dafür, mit Nein zu stimmen und das auch im Nachhinein zu rechtfertigen:

„Ich habe dennoch mit “Nein” gestimmt und das hat einen einfachen Grund. Ich gehe davon aus, dass alle Staatsgewalt von der Bevölkerung ausgeht und deshalb alle Verträge offengelegt werden sollen. Dafür hat Berlin das Informationsfreiheitsgesetz geändert. Mit dem erfolgreichen Volksentscheid wird die Offenlegung allerdings nur für die Wasserbetriebe erreicht und nicht für alle zukünftigen Verträge auch in anderen Bereichen. Das ergibt sich aus § 1 des Gesetzentwurfes und das finde ich inkonsequent.“ (http://blog.wawzyniak.de/?p=3467)

So ein Unsinn: Als wenn die Zustimmung für die Offenlegung der Wasserverträge irgend jemanden davon abhalten würde, auch Verträge in anderen Bereichen offen zu legen.

Anders herum wird ein Schuh daraus, liebe Halina: Der erfolgreiche Wasservolksentscheid wird den Druck in anderen Bereichen erst richtig erhöhen. So kann der Schwung des Erfolgs genutzt werden, um beispielsweise eine Kampagne für eine S-Bahn im Interesse der Berlinerinnen und Berliner zu starten.

Für die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe

Vor allem erhöht der Wasservolksentscheid jedoch den Druck dafür, die Wasserbetriebe endlich wieder vollständig zu rekommunalisieren. Der erfolgreiche Volksentscheid ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Um die Rekommunalisierung durchzusetzen, wird aber mehr nötig sein als die Beschreitung des juristisch-parlamentarischen Wegs. Es ist davon auszugehen, dass mindestens die privaten Investoren den Weg vors Berliner Verfassungsgericht einschlagen werden.

Wenn der Kampf für die Rekommunalisierung erfolgreich sein soll, muss der Schulterschluss zu den Gewerkschaften und Beschäftigten geschlagen werden und ein gemeinsamer Kampf im Interesse von VerbraucherInnen und Beschäftigten geführt werden. Dass kommunales Eigentum nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für transparente Betriebe im Interesse der Bevölkerung darstellt, sehen wir am Beispiel der BVG. Deshalb ist nicht nur die Rekommunalisierung, sondern auch die demokratische Kontrolle und Verwaltung der Wasserbetriebe durch VertreterInnen von Beschäftigten und VerbraucherInnen, von gewählten GewerkschaftsvertreterInnen, Umweltverbänden und der Landesregierung nötig.

Die antikapitalistischen Kräfte in der LINKEN Berlin sollten den Ausgang des Volksentscheids nutzen, um lautstark einen Kurswechsel der Partei in Berlin und die Beendigung der Regierungsbeteiligung mit der SPD einzufordern.

Wieviel mehr an Druck könnte eine Partei entfachen, die mit den Rückenwind des Volksentscheids eine politische Kampagne für Rekommunalisierung starten würde anstatt im Senat das linke Feigenblatt für Privatisierung und Sozialabbau zu geben und dadurch den außerparlamentarischen Widerstand zu schwächen!