Dresden: Blockaden stoppen Nazi-Aufmarsch

In Dresden ist es erstmals gelungen, den größten jährlichen Aufmarsch von Neonazis in Europa zu verhindern.


 

Mit der größten antifaschistischen Mobilisierung seit Jahren in Dresden und massenhaften zivilen Ungehorsam in Form von Blockaden wurden die Nazis gestoppt.

von Claus Ludwig, Sozialistischer Stadtrat, Die LINKE.Köln

Rund 5.000 Nazis hatten sich auf den Weg gemacht, um anlässlich des Jahrestages der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg ihre Geschichtsfälschung zu verbreiten. In den letzten Jahren konnten sie dank polizeilichen Schutzes demonstrieren.

Das wurde dieses Mal durch eine breite Mobilisierung verhindert. Von 9.00 Uhr morgens an formierten sich Blockaden rund um den Neustädter Bahnhof, den Auftaktort der Nazis. Viele Faschisten wurden schon bei der Anfahrt behindert, mussten vorzeitig ihre Busse verlassen und zu Fuß weiter.

Der faschistische Aufmarsch sollte um 12.00 Uhr beginnen, zu dem Zeitpunkt waren dort nur 300 klägliche Nazis erschienen. Es dauerte bis 15.00 Uhr, bis sich das Gros der Rechten vor dem Neustädter Bahnhof zur Kundgebung versammelt hatte. Der Marsch durch die Neustadt wurde von der Polizei untersagt, laut Polizei konnte sie „nicht für die Sicherheit der Teilnehmer garantieren“ und sah keine Möglichkeit, die Blockaden aus dem Weg zu räumen.

Die Nazis behaupten in Internet-Foren, es hätte eine „Zusammenarbeit von Polizei, Linksradikalen und Gutmenschen“ gegeben. Doch Polizei und Justiz hatten schon im Vorfeld versucht, die Mobilisierung zu den Blockaden durch Verbote von Plakaten und Abschalten von Websites zu kriminalisieren und so Leute von der Teilnahme abzuschrecken.

Auch während des Tages ließ die Polizei die Blockaden nicht unbehelligt. An mehreren Stellen ging sie gewaltsam gegen die Blockierer vor. Am Bischofsweg/Königsbrückerstraße setzte sie Pfefferspray, Schlagstöcke und Wasserwerfer gegen die Blockade ein. Die Blockade stand kurz vor der Auflösung, erst das glücklich getimte Eintreffen der antifaschistischen Besatzungen der Busse aus Norddeutschland, die durch einen Schneesturm Stunden zu spät kamen, stabilisierte die Blockade.

Die Polizei versuchte, einen Weg für die Nazis freizumachen, schaffte es aber nicht. Rein „militärisch“ wäre das Wegräumen der Blockaden irgendwann gelungen, zumal Wasserwerfer bei diesen eisigen Temperaturen eine verheerende Wirkung haben. Der politische Preis für die Polizei wäre aber sehr hoch gewesen. Neben den Fraktionen und Abgeordneten der LINKEN saßen zahlreiche AktivistInnen aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen in den Blockaden. Auch viele DresdnerInnen waren in die Neustadt zu den Blockaden gekommen. Mit einer Räumung hätte es massenhaft Bilder von verletzten Menschen gegeben, es wäre deutlich geworden, dass der Staat den Nazi-Aufmarsch mit aller Gewalt durchsetzt.

Unsere Busse aus Nordrhein-Westfalen stoppten, für die Polizei überraschend, in der Hansastraße direkt vor dem Bahnhof. Die TeilnehmerInnen formierten sofort eine Blockade von 300 Leuten auf einer Kreuzung vor dem Bahnhof, über die der Nazi-Aufmarsch geleitet werden sollte. Rund 200 setzten sich hin, auf den eiskalten, schneematschigen Boden, der Rest blockierte im Stehen. Die Polizei drängte die stehenden Blockierer zurück, setzte dabei Pfefferspray ein. Die Räumung der Sitzblockade wurde vorbereitet aber nicht durchgeführt. Inzwischen hatten sich einige Hundert Meter weiter hinten auf der selben Straße rund 2.000 AntifaschistInnen zu einer Blockade formiert, so dass die Polizei wohl nicht zu viele Kräfte für das Abräumen unseres „Vorpostens“ einsetzen wollte. Die „NRW-Blockade“ hielt schließlich bis zur endgültigen Absage des Nazi-Aufmarsches um 17.15 Uhr.

Insgesamt haben rund 7.000-10.000 Menschen an den Blockaden in der Neustadt teilgenommen, die meisten am Albertplatz, am Bischofsweg und auf der Hansastraße. Das ist ein großer Erfolg für die antifaschistische Bewegung, wohl noch wichtiger als die Verhinderung des „Anti-Islam-Kongresses“ von „ProKöln“ im Herbst 2008 in Köln. Die Dresdener Blockaden sind jetzt schon das Vorbild für die Mobilisierungen nach Duisburg und für Berlin am 1. Mai.

Die Mobilisierungsstärke der Nazis gibt jedoch noch keine Entwarnung. Es konnte nicht verhindert werden, dass 4.000-5.000 Nazis in Dresden ankamen und sich zum größten Teil vor dem Bahnhof Neustadt versammelten. Auch einzelne Übergriffe der rechten Schläger konnten nicht unterbunden werden.

Um zu erreichen, dass kein Nazi nach Dresden kommt, dass die Stadt komplett abgesperrt wird, wäre eine umfassendere Mobilisierung nötig gewesen. Die in der Kampagne aktiven Antifa-Gruppen konnten dies nicht leisten. Es wäre die Aufgabe der organisierten Arbeiterbewegung, vor allem der Gewerkschaften und der Partei Die LINKE. gewesen, für die Verhinderung des Nazi-Aufmarsches die eigene Mitgliedschaft zu mobilisieren.

Die LINKE hatte das teilweise getan. Aus vielen Städten reisten recht viele LINKE an und viele Verbände waren in der Mobilisierung und Vorbereitung beteiligt. Abgeordnete der LINKEN griffen vor Ort ein und bemühten sich um Koordinierung der Proteste. Auf der anderen Seite hatte die Dresdner Partei leider auch zur bürgerlichen Menschenkette mobilisiert. In den Bussen aus NRW saßen viele Aktive aus Antifa-Gruppen, aber viel zu wenig Mitglieder der LINKE.

Einzelne Gewerkschaftsgliederungen waren vertreten, zum Beispiel die DGB-Jugend aus Köln, aber gerade der DGB Dresden hatte sich „vornehm“ zurückgehalten.

Tausende zumeist junge Menschen haben sich den Faschisten entschlossen entgegen gestellt, haben angesichts der angereisten Schläger von den „Autonomen Nationalisten“, den Gewaltaktionen der Polizei und den üblen Witterungsbedingungen Einiges riskiert und erduldet. Es wäre die Aufgabe der Gewerkschaftsbewegung, die Jugendlichen zu unterstützen und den Kampf gegen die Nazis auf eine neue Stufe zu heben.

Die SAV war mit ca. achtzig Mitgliedern und zahlreichen SympathisantInnen an mehreren Blockaden beteiligt. Wir haben die direkte Aktion der Blockaden verbunden mit politischen Diskussionen über die Notwendigkeit einer Alternative zum Kapitalismus und eine politische Strategie gegen die Nazis.

Bilder aus Dresden