Referendum zum Vorgehen um isländische Bank Icesave

Die Antwort muss lauten: „Wir können nicht zahlen und wir werden nicht zahlen!“


 

von Kristofer Lundberg, Rättvisepartiet Socialisterna

Zu Beginn des neuen Jahres kam es in Island zu massiver Wut. Ein Versuch des Parlaments, ausstehende Verbindlichkeiten gegenüber den Regierungen Großbritanniens und der Niederlande zu begleichen, provozierte eine neue Runde an Straßenprotesten und eine weitere politische Krise im Land. Die Summe, um die es dabei geht, beläuft sich auf atemberaubende 14.000 Euro pro Mann, Frau und Kind in Island. „Die Bankiers sollen zahlen, wir werden es nicht tun!“, so die Antwort vor dem Parlamentsgebäude.

Massenhaft eingegangene Petitionen, die die Einstellung der Zahlungen verlangten, führten dazu, dass der Staatspräsident sein Vetorecht geltend machte und ein Referendum zu diesem Thema zusagte. Dieses soll am 20. Februar stattfinden. Sollte es dabei zu einem „Nein“ kommen, könnte das nach nur einem Jahr zum Zusammenbruch der Regierung führen.

Unterdessen haben eine Angst einflößende Kampagne und Erpressungsversuche seitens der kapitalistischen Kräfte und der Medien begonnen. Man will Island dazu zwingen, „die Regeln einzuhalten“. Schließlich würde die Einstellung der Zahlungen ein falsches Zeichen senden an andere Staaten oder Schuldner. Die Regierung arbeitet hingegen hart daran, das Referendum zu verschieben oder sogar ganz ausfallen zu lassen. Ziel ist es, durch eine Art Vermittlungsgespräch zu einer Neuverhandlung des Icesave-Deals zu kommen. Umfragen weisen jedoch weiterhin auf eine vollständige Ablehnung von Rettungsmaßnahmen für die „Risikoträger“ hin.

Finanz-Kasino

Über zehn Jahre hinweg war Island ein Experimentierfeld des Neoliberalismus, ein Finanzkasino. In dieser Zeit war das Land ein leuchtendes Beispiel und wurde von keinem europäischen Politiker kritisiert. Die globale Finanzkrise jedoch führte zum Crash für die isländischen Banken und die Landeswährung.

Der ökonomische Reichtum brach durch die Krise in sich zusammen. Am 5. Oktober 2008 änderte sich plötzlich der Status Islands vom ehedem sechst-reichsten Land (gemessen am Pro-Kopf-Einkommen) bis kurz vor dem Staatsbankrott stehend. Die Banken brachen zusammen wie ein Kartenhaus und wurden verstaatlicht.

Bankaktien wurden wertlos. Zehn Prozent der Bevölkerung, 30.000 Menschen, besaßen Aktien und Rentenfonds, die eng verknüpft waren mit dem Börsengeschehen.

Die Auswirkungen auf internationaler Ebene waren am stärksten in Großbritannien zu spüren, wo zum Beispiel 100 Kommunen in isländische Werte investiert hatten. Daneben existierten Tausende privater Spareinlagen. Als man die Betroffenen nicht auszahlte und Anti-Terror-Gesetze heranzog, um Vermögenswerte der Landsbank i/ Icesave einzufrieren, beschuldigte Premier Gordon Brown Island, „illegal“ zu handeln.

Es kam zu einer Welle an Unternehmenspleiten in Island und 40 Prozent der Haushalte konnten ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen. RentnerInnen verloren ihre Ersparnisse. Das führte zur Revolte, bei der es wiederholt auch zu argen Konfrontationen mit der Polizei kam, und die Anfang 2009 schließlich die rechts-konservative Regierung Regierung aus dem Amt jagte.

Icesave

Als, Icesave, die Internetbank von Landsbank, zusammenbrach, verloren Tausende KundInnen in Großbritannien und den Niederlanden ihr Geld. Aufgrund der dort bestehenden Einlagensicherungsgesetze zahlten die Regierungen dieser Länder die SparerInnen aus. Seither fordern die Regierungen Großbritanniens und der Niederlande die Gesamtsumme von 3,8 Milliarden Euro von Island zurück.

Das sogenannte Icesave-Gesetz soll Island dazu bringen, den Forderungen nachzukommen. Die Tatsache, dass das isländische Parlament, der Alltinget, durchaus vorhatte, diese enorme Summe inmitten einer historischen Krise für ArbeiterInnen, alte Menschen, Jugendliche und ehemalige Angehörige der Mittelschicht an den britischen und den niederländischen Staat zu bezahlen, löste eine neue Welle an Massenprotesten aus.

Zuerst stimmte das Parlament dem Gesetz im August zu, ergänzte es aber mit ein paar Aspekten, das Wirtschaftswachstum und eine zeitliche Befristung betreffend. Von London und Den Haag wurde das nicht akzeptiert und im Oktober wurde dann ein neuer Handel abgeschlossen. Es zeigt, wie viel Angst man vor öffentlichem Aufruhr hat: Bis jetzt, Mitte Januar, hat das isländische Parlament darüber nicht abgestimmt und getragen wurde das alles nur von 33 gegen 30 Stimmen.

In einer beeindruckenden Demonstration ihrer Opposition unterschrieben 60.000 Menschen, ein Viertel der isländischen Bevölkerung, eine gegen das Gesetz gerichtete Petition. Meinungsumfragen zeigten, dass 70 Prozent der IsländerInnen dagegen waren.

Aufgrund der Proteste der Bevölkerung fühlte sich Staatspräsident Ólafur Ragnar Grímsson mit dem Messer auf der Brust verpflichtet, das Gesetz nicht zu unterschreiben, was automatisch zu einem Referendum zu dem Thema führt. Der Präsident war nicht dagegen, die Zahlungen zu leisten, fürchtete aber die Wut von unten.

Das Referendum

Das Veto des Präsidenten zwang das Parlament dazu, ein Referendum zu akzeptieren, das am 6. März abgehalten werden sollte. Das bedeutet ein hohes Maß an Politisierung und Polarisierung in der Gesellschaft, verschafft der Regierung und den Politikern aber auch die Möglichkeit, ein bedrohliches Szenario zu vermitteln.

Kapitalisten auf internationaler Ebene und die von ihnen dominierten Medien fürchten ein „Nein“, und sie führen daher eine starke Kampagne, um einen Sieg und ein „Ja“ zu erreichen. Dies tun sie auf dieselbe Art und Weise wie im Fall des irischen Referendums über den Lissabon-Vertrag.

Der britische Finanzminister, Lord Myners, warnte, dass Island aus dem internationalen Finanzsystem geworfen würde, sollte keine Zahlung erfolgen. Andere beschworen eine Situation herauf, in der Island zum Ausgestoßenen avancieren würde, und sagten, dass Island in dem Fall nicht Mitglied der EU werden könne.

„Wenn die Menschen »Nein« sagen, wenn Island seine Schulden gegenüber den britischen und niederländischen Steuerzahlern nicht begleicht, wird es auch keine weiteren Zahlungen des IWF oder irgendwelche Kredite aus Schweden mehr geben“, so die schwedische Tageszeitung Expressen vom 10. Januar. Die Regierung Finnlands gehört gleichermaßen zu denen, die damit drohen, Island keine Kredite mehr zu gewähren.

Die schwedische Presse spricht von den „Risiken eines »Nein«, einer neuen politischen Krise und einem weiteren Rückschlag für die Rettungspläne, derer Island bedarf“ und meint: „Ohne zu normalen Beziehungen mit dem Rest der Welt zurückzukehren, wird Island die benötigten Dollars und Euros nicht bekommen, die es braucht, um Waren und Dienstleistungen einführen zu können“.

Welche Alternative?

Was ist die Alternative für ArbeiterInnen und Jugendliche in Island?

„Zuallererst müssen wir »Nein« sagen zu einem Gesetz, dass – sollte es umgesetzt werden – die einfache Bevölkerung über Generationen ruinieren würde. 3,8 Milliarden Euro, der Gegenwert von einem Drittel des BIP, die bis zum Jahr 2024 gezahlt werden müssten, würden die Wirtschaft aushöhlen. Für den britischen Staat ist das wie Taschengeld aber nicht für Island“, meint Skúli Jón Kristinsson von Sósíalískt Réttlæti (Sektion des CWI in Island). Die Gesamtsumme ist so viel wie nur ein Prozent der Kredite der britischen Regierung in den Jahren 2010 und 2011, so die Financial Times.

Die Frage ist, wie stark der Widerstand sein wird? Wird die Angst-Kampagne Erfolg haben? Und was passiert, wenn es zu einem »Nein« kommt?

Die Masse der Bevölkerung spürt immer noch ihre Stärke aus den Wochen, die die vorherige Regierung zu Fall brachte. Erneut ist es zu Straßenprotesten gekommen. Die meisten Menschen meinen richtiger Weise, dass SteuerzahlerInnen nicht die Rechnung der Banken und der Spekulanten zahlen sollten.

Die Schwäche liegt in der politischen Führung der Proteste. Man weiß nicht genau, was man erreichen will und kann. Die rechten Parteien, deren Regierung im vergangenen Jahr zum Abtreten gebracht wurde, sind heute gegen das Icesave-Gesetz, während die neue sozialdemokratische und links-grüne Regierung dafür verantwortlich zeichnet! Das zeigt, dass keine der etablierten Parteien die Lebensstandards verteidigen oder die zur Verantwortung ziehen kann, die Schuld sind an der Krise. Die Protestbewegung muss weiter gehen und eine Arbeiteralternative diskutieren.

Ausgangspunkt ist natürlich das Geschacher um Icesave und das Referendum. Die Wut der ArbeiterInnen, Jugendlichen und RentnerInnen muss in Mobilisierungen und Massenzusammenkünften zum Thema „Was ist die Altenative?“ kanalisiert werden. Und der Schlachtruf muss lauten: „Wir können und wir werden nicht zahlen!“.

Sósíalískt Réttlæti (CWI in Island) steht für:

– Nein zum Icesave-Gesetz.

– Keine Rückzahlung der Schulden. Entschädigungen (durch die Regierung) darf es nur für KleinsparerInnen geben.

– Die Bankiers und Spekulanten müssen für die Krise zahlen.

– Für ein Moratorium für alle Schuldentilgunszahlungen, für alle Menschen der Arbeiterklasse.

– Für eine Massenkampagne gegen die Auszahlung der Hypothekenforderungen.

– Island darf den Anweisungen der EU, des IWF und anderer Institutionen des globalen Kapitalismus nicht Folge leisten.

– Sämtliche Geschäftsbücher müssen offengelegt werden, um nachvollziehen zu können, wohin die Milliarden der Banken geflossen sind.

– Verstaatlichung der Banken und der großen Unternehmungen unter demokratischer Kontrolle und Geschäftsführung der ArbeiterInnen.

– Für eine Massenbewegung mit gewählten Komitees und die Aufstellung eigener politischer Forderungen und eines eigenen politischen Programms. Für eine Kampagne der Massen mit Betriebsversammlungen, Zusammenkünften in Schulen und Wohnvierteln, die begleitet sind von breiter Mobilisierung.

– Kein Vertrauen in die etablierten Parteien. Eine ehrliche Arbeiterpartei muss aufgebaut werden, die so dringend gebraucht wird.

– Für ein demokratisch-sozialistisches Island, für ein freiwillig sozialistisch-vereintes Europa.