Großbritannien: Gemeinsam streiken für höhere Löhne

Wahlkampf in Southampton, 22.5.14, Foto: N. Chaffey
Wahlkampf in Southampton, 22.5.14, Foto: N. Chaffey

Von Dumpinglöhnen und Sozialkahlschlag

Arm trotz Arbeit. Diesen Zustand kennen in Deutschland immer mehr Menschen. In Großbritannien streikten dagegen am 10. Juli zwei Millionen KollegInnen im Öffentlichen Dienst. Neun Gewerkschaften aus England, Wales und Nordirland beteiligten sich. Darunter LehrerInnen, die Müllabfuhr und Feuerwehrleute, um nur einige zu nennen.

von Christian Bunke

Nach vier Jahren massiver Sparpolitik unter der Regierung von Tories und Liberalen ist die Lage dramatisch. Offiziell gibt es auf der Insel 4.8 Millionen Niedriglöhner. Das sind Menschen, die es sich trotz Arbeit nicht leisten können ihre Wohnung dauerhaft zu heizen, neue Kleidung zu kaufen oder sich gesund zu ernähren. Jeder zehnte dieser KollegInnen arbeitet im kommunalen Bereich.

Streik am 30. November 2011

Kein Wunder, dass der Druck auf die Gewerkschaftsspitzen sich immer weiter erhöht. Am 30. November 2011 gab es den größten Streiktag seit 1926, als eine große Koalition verschiedener Gewerkschaften gegen die damals beginnenden Einsparungen, vor allem bei den Renten, für 24 Stunden die Arbeit niederlegten.

Viele hofften auf einen Aufbruch des gewerkschaftlichen Widerstandes, doch der kam nicht. Statt dessen kapitulierte der konservative Flügel der Gewerkschaftsspitzen vor der Regierung. GewerkschafterInnen an der Basis haben dafür bitter bezahlt. Es gibt massiven Stellenabbau. Manche Kommunen haben bis zu 40 Prozent ihres Personals abgebaut.

Jene, die noch einen Job haben, leiden unter dem „pay freeze“. Seit 2010 gab es im Öffentlichen Dienst keine Gehaltserhöhung, lediglich eine jährliche Anpassung von einem Prozent. Diese bekommt noch nicht mal jeder. Außerdem werden Zusatzleistungen wie Pendlerpauschale oder bezahlter Urlaub vielerorts entweder gekürzt oder ganz gestrichen. Besonders dreist ist der Plan, LehrerInnen demnächst nach ihrer „Leistung“ zu bezahlen.

Streik am 10. Juli 2014

Kein Wunder also, dass die Forderung nach Gehaltserhöhungen am Streiktag des 10. Juli im Mittelpunkt stand. Die Gewerkschaft für Staatsangestellte PCS fordert fünf Prozent mehr Lohn, bei den Kommunen fordert die UNISON-Gewerkschaft ein Pfund mehr Stundenlohn für alle.

Rob Williams vom Basisnetzwerk „National Shop Stewards Network“ (NSSN) und Mitglied der SAV-Schwesterorganisation Socialist Party (SP) begrüßt diese Forderungen. Er sagt aber auch: „Es darf jetzt nicht bei diesem einen Streiktag bleiben. Auf den Demonstrationen am 10. Juli haben sich viele Kolleginnen und Kollegen noch an den Ausverkauf durch die Gewerkschaftsspitzen im Jahr 2011 erinnert. Wir vom NSSN begrüßen die Aussage von PCS-Generalsekretär Mark Serwotka, dass sich die Gewerkschaftsführer jetzt schleunigst zusammensetzen und die nächsten Streiktage beschließen müssen. Vor allem begrüßen wir die Forderung der Bäckergewerkschaft nach einem 24-stündigen Generalstreik.“

Für zehn Pfund Mindestlohn

Das NSSN hat selbst auch eine Kampagne gegen Niedriglöhne gestartet. Das Netzwerk fordert eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf zehn Pfund und wird dabei unter anderem von Gewerkschaften wie der Bäckergewerkschaft und der Arbeitergewerkschaft GMB unterstützt. Die Kampagne wurde vom Erfolg der „15 Now“-Mindestlohnkampagne in Seattle inspiriert.

Während Millionen ArbeiterInnen in Großbritannien menschenwürdige Löhne fordern, wird ihnen von der sogenannten britischen „Labour“-Partei die Unterstützung verweigert. Deren Parteichef Ed Miliband hielt stattdessen nur wenige Tage nach dem Streik ein Treffen mit Wirtschaftsbossen ab, um ihnen eine unternehmerfreundliche Regierung im Falle eines Wahlsieges zu garantieren.

TUSC

Labour-Stadträte hätten die Möglichkeit, gegen kommunale Einsparungen zu stimmen. Kaum einer tut es. Wer es trotzdem wagt, wird aus der Partei ausgeschlossen, wie es den Stadträten Don Thomas und Keith Morrell in Southampton geschah. Weil sie gegen die Schließung von Schwimmbädern stimmten, schmiss man sie aus der Partei. Jetzt sind sie SP-Mitglieder und Teil des Wahlbündnisses TUSC (Trade Unionist and Socialist Coalition). Der Kampf für höhere Löhne braucht politische Organisation. TUSC ist ein wichtiger Schritt dazu.