Schottland: „Schlafzimmer-Steuer“ zurück geschlagen!

spsEin Beispiel dafür, dass sich Widerstand lohnt.

Das Ergebnis der gestrigen Abstimmung im schottischen Regionalparlament hat die Bestätigung gebracht: In Schottland muss keinE HausbewohnerIn die für den 1. April 2014 angedachte Schlafzimmer-Steuer entrichten. Die schottische Regierung hat letztendlich zugesagt, dass das Geld zur Verfügung gestellt wird, um für die Gesamtsumme aller fälligen Beträge für die Schlafzimmer-Steuer in Schottland aufzukommen. Das ist ein Riesen-Erfolg für die Kampagne.

Von Philip Stott, Socialist Party Scotland

[Mit dem Begriff „Schlafzimmer-Steuer“ wird landläufig der rücksichtslose Angriff auf einige der ärmsten und schwächsten Teile der Gesellschaft bezeichnet, durch den es zu schwerwiegenden Kürzungen beim Wohngeld kommen wird (das eigentlich dazu dienen soll, die Mieten bezahlbar zu machen). Für „zusätzliche Schlafzimmer“ in Sozialwohnungen, so die Wortwahl der Regierung, soll plötzlich eine Sondersteuer erhoben; Erg. d. Red.]

Von großer Bedeutung ist, dass die Regierung unter der „Scottish National Party“ (SNP) im schottischen Regionalparlament bestätigt hat, selbst dann das Geld für Vermieter von Sozialwohnungen zur Verfügung stellen zu wollen, wenn die konservativ-liberaldemokratische Zentralregierung in London es ablehnt, bei den „Discretionary Housing Payments“ (DHP; zusätzliches Wohngeld) die Obergrenzen anzuheben. Sie wird „sicherstellen, dass es in diesem Jahr keine Zwangsräumungen aufgrund von Zahlungsrückständen wegen der Schlafzimmer-Steuer geben wird“, bestätigte John Swinney.

Das ist ein Erfolg für abertausende Menschen aus der Arbeiterklasse, die sich geweigert haben, die Unumgänglichkeit dieses brutalen Angriffs zu akzeptieren und die deshalb zuallererst verantwortlich sind für diesen Sieg.

Die schottische Regierung plant nun, die Finanzierung entsprechend auszuweiten, damit 2014 und 2015 nicht einer der insgesamt 85.000 Haushalte, die in Schottland von der „Schlafzimmer-Steuer“ betroffen wären, zahlen muss.

Eine Kampagne, die sich an die Massen gerichtet hat, die Organisation von hunderten von öffentlichen Veranstaltungen landauf, landab in Schottland, tausende TeilnehmerInnen bei den Demonstrationen, Mahnwachen und Protesten vor den Rathäusern, bei Abgeordneten des schottischen Parlaments und der schottischen Regierung, sowie die Ablehnung, jegliche Räumung zu akzeptieren … – all das war die Grundlage dafür, am Ende eine Kraft aufzubauen, der sich niemand widersetzen konnte.

Die Vereinigung „Scottish Anti-Bedroom Tax Federation“, in der sich die Mehrzahl der örtlichen Initiativen zusammengeschlossen hatte, war für diesen Erfolg ganz entscheidend. Dieses Bündnis und die ihr angegliederten Gruppen haben den Kampf bis vor die Wohnungstüren der gewählten Politiker getragen, die somit zum Handeln gedrängt wurden. So geriet die schottische Regierung unter enormen Druck von Seiten der Kampagne gegen die Schlafzimmer-Steuer, die von Beginn an gefordert hatte, dass die SNP alles in ihrer Macht stehende versuchen müsse, um der Schlafzimmer-Steuer in Schottland ein Ende zu bereiten.

Druck der Massen

Dieser Druck führte bei der schottischen Regierung zu einer veränderten Herangehensweise. Im September 2013, fünf Monate, nachdem die Schlafzimmer-Steuer beschlossen worden war, kündigte die Regierung an, den Umfang der DHPs für das Jahr um zwanzig Millionen britische Pfund aufstocken wird. Damit wurden siebzig Prozent der geplanten Kürzungen beim Wohngeld für 2013/14 kompensiert.

Im Oktober kündigte Nicola Sturgeon, die „Stellvertretende Erste Ministerin Schottlands“ (Erg. d. Übers.), weitere zwanzig Millionen Pfund auch für 2014/15 an. Diese Summen, die zu den fünfzehn Millionen Pfund dazu kamen, welche vom DWP zur Verfügung gestellt wurden, ließ eine Finanzierungslücke von fünfzehn Millionen Pfund. Und das ist die Summe, die die schottische Regierung nun für das Haushaltsjahr 2014/15 beizusteuern wird.

Dass die gewählten Politiker in Schottland jetzt gehandelt haben, obwohl fast ein Jahr seit der Beschlussfassung über die Schlafzimmer-Steuer vergangen ist, liegt an der rastlosen Kampagne-Arbeit der entsprechenden Initiativen, an der „Scottish Anti-Bedroom Tax Federation“, die die Mehrheit dieser Basis-Initiativen in sich vereint hat, und an dem unbezwingbaren Willen, die Schlafzimmer-Steuer nicht Realität werden zu lassen.

Dieser Erfolg wird Millionen von Menschen, die unter den Kürzungen und der brutalen Austeritätspolitik der nur für die Millionäre dieses Landes Politik machenden „Con-Dem“-Regierungskoalition zu leiden haben, Hoffnung und Zuversicht geben. („to condemn“ = dt.: „verachten“; Ein Wortspiel, mit dem die Haltung gegenüber der konservativ/liberal-demokratischen Regierungskoalition zum Ausdruck gebracht wird; Anm. d. Übers.) Man stelle sich nur vor, was erst erreicht werden kann, wenn die beinahe sieben Millionen Mitglieder zählende Gewerkschaftsbewegung für einen 24-stündigen Generalstreik mobilisiert würde! Das wäre ein mächtiger Schlag gegen die kapitalistische Agenda aus Kürzungen und Austerität.

Dass diese verhasste Steuer zurückgewiesen werden konnte, wird auch den entsprechenden Initiativen in England und Wales neuen Auftrieb verleihen. Sie werden Forderungen zur Abschaffung dieser Steuer aufstellen und Stadträte sowie Wohnungsgesellschaften auffordern, sich gegen die Durchführung von Zwangsräumungen zu weigern.

In Schottland wird die Kampagne wachsam bleiben und weiterkämpfen, bis die Forderung durchgesetzt ist, dass alle durch die Schlafzimmer-Steuer aufgelaufenen Schulden abgeschrieben werden. Außerdem tritt man dafür ein, dass sämtliche anhängigen Rechtsverfahren, die derzeit noch von kommunalen Verwaltungsorganen und Wohnungsgesellschaften angestrengt werden und die zu Räumungen führen können, umgehend eingestellt werden.

Wie die Schlafzimmer-Steuer verhindert wurde

Im Februar und März des vergangenen Jahres begann die Socialist Party Scotland damit, in Wohnvierteln mit kommunalem Wohnungsbestand öffentliche Veranstaltungen gegen die Schlafzimmer-Steuer zu organisieren. Dies taten wir in Dundee, Glasgow und Renfrewshire. Sehr schnell wurde klar, dass das Potential dafür vorhanden war eine Kampagne aufzubauen. Die Methoden, die wir dabei anwendeten, entsprachen denen, die auch vor 25 Jahren in der Kampagne gegen die Poll Tax (Kopf-Steuer) schon zum Erfolg geführt hatten.

von Richard Neville, „Bin the Bedroom Tax Campaign“ (Renfrewshire)

Der Aufbau lokaler Initiativen und die Vereinigung dieser einzelnen Gruppen in einem übergeordneten Bündnis, der „Scottish Anti-Bedroom Tax Federation“, führte dazu, dass es Protestmärsche gab und das Versprechen abgelegt wurde, diejenigen zu verteidigen, die nicht in der Lage sein würden, die Schlafzimmer-Steuer zu bezahlen. Überall im Land schossen Initiativen gegen die Schlafzimmer-Steuer wie Pilze aus dem Boden und tausende MieterInnen strebten danach, ihre Gemeinden zu verteidigen. Tommy Sheridan, Veteran der Kampagne gegen die Kopf-Steuer, spielte eine wesentliche Rolle und half mit beim Aufbau der Kampagne.

Im Westen Schottlands wurde dann auf demokratischer Grundlage ein Bündnis örtlicher Initiativen gebildet, mit dem das Bewusstsein bzgl. der Steuer gehoben werden sollte. Dieses Bündnis organisierte einen Protestmarsch durch die Straßen von Glasgow, um Widerstand gegen die Steuer zu leisten und eine Konferenz zu planen, die für jede interessierte Initiative und Gruppierung offen sein sollte. Dort sollte darüber gesprochen werden, wie die Schlafzimmer-Steuer am besten abgewehrt werden könnte.

30. März 2013

Am 30. März 2013 zogen 5.000 Menschen durch Edinburgh und mehr als 8.000 Personen drängten sich durch die Straßen von Glasgow. [Schottland hat auf einer Fläche, die halb so groß ist wie England, nur fünf Millionen EinwohnerInnen; Anm. d. Übers.]

Vom Glasgow Green bis zum George Square konnten wir eine Demonstration der Stärke erleben, die aus den Wohnsiedlungen zusammengekommen war. Das hatte es das letzte Mal anlässlich der Kopf-Steuer (Anfang der 1990er Jahre, A.d.Ü.) gegeben. Es waren aber auch tausende dabei, die von diesem Angriff auf das Wohngeld gar nicht unmittelbar betroffen gewesen wären. Sie wollten dennoch zeigen, was sie von dieser Steuer hielten.

Das Motto lautete: „Axe, Axe the Bedroom Tax“ (sinngemäß: „Zerschlagt die Schlafzimmer-Steuer“). Damit einher ging das Versprechen, eine Brigade ins Leben zu rufen, mit der jeder Versuch, irgendeine Form von Räumung durchzuführen, verhindert werden sollte. Dieser Aufruf stieß auf breite Zustimmung. Die lokalen Initiativen von der Region Lothian über Dundee bis nach Dumfries bekundeten ihre Bereitschaft, sich an einer Kampagne des zivilen Ungehorsams zu beteiligen, sollte dies irgendwie nötig werden.

Es war die Gruppe „Bin the Bedroom tax“ (sinngemäß: „Werft die Schlafzimmer-Steuer auf den Müll“) in Dundee, zu deren Gründung Mitglieder der Socialist Party Scotland die Initiative ergriffen hatten, die als erste in Schottland Zugeständnisse bezüglich der Schlafzimmer-Steuer von einem von der SNP-geführten Stadtrat durchsetzen konnte.

Der Stadtrat stimmte zu, ein Jahr lang keine Räumungen durchzuführen, wodurch die Phalanx der Befürworter der Schlafzimmer-Steuer die ersten Risse bekam. Andere SNP-geführte Stadträte folgten diesem Beispiel, so auch der Stadtrat von Renfrewshire, in dem die (sozialdemokratische; Erg. d. Übers.) Labour-Partei die Mehrheit hat. Auch hier musste man auf den Druck der örtlichen Initiativen reagieren.

Die „Scottish Anti Bedroom Tax Federation“ konstituierte sich schließlich am 27. April 2013 im Zuge einer Gründungskonferenz. An dieser Konferenz nahmen mehr als 250 Delegierte aus über vierzig lokalen Initiativen und von Gewerkschaftsgliederungen teil. Die Gliederung der Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst, UNISON, aus Glasgow spielte dabei eine wesentliche Rolle, da sie die Arbeit des Bündnisses unterstützte und mittrug.

Die Forderungen der „Scottish Anti Bedroom Tax Federation“ lauteten von Anfang an:

1. Die schottische Regierung muss jährlich fünfzig Millionen Pfund bereitstellen um sicherzustellen, dass all jene, die von der Schlafzimmer-Steuer betroffen sein werden, diese nicht bezahlen müssen.

2. Die schottische Regierung muss das Gesetz ändern um auszuschließen, dass es aufgrund der Schlafzimmer-Steuer zu Zwangsräumungen kommt.

3. Kommunale Verwaltungsstellen und Wohnungsgesellschaften müssen sich weigern, Räumungen durchzuführen.

Diese Vorschläge sind nun Grundlage der „Private Members Bill“, einem Gesetz, das vom schottischen Labour-Abgeordneten Jackie Baillie eingebracht wurde. Noch im April, als die Schlafzimmer-Steuer beschlossen wurde, war dieselbe Labour Party meilenweit davon entfernt, eine derartige Position einzunehmen.

Die Rolle des „Govan Law Centre“

Die Petition des Rechtsberatungsbüros „Govan Law Centre“ an das schottische Parlament, in der die Änderung des Wohngesetzes hinsichtlich der Zwangsräumungen eingefordert wurde, stieß auf breite Unterstützung. Das Rechtsberatungsbüro spielte auch eine wesentliche Rolle, als es darum ging, etlichen, von der Schlafzimmer-Steuer in Schottland betroffenen Personen Rat und Unterstützung zukommen zu lassen. Das Bündnis „Scottish Anti Bedroom Tax Federation“ half einer großen Zahl von Leuten durch das Berufungsverfahren, indem es auf das Beratungspaket des „Govan Law Centre“ zurückgriff. Das Ziel dabei war, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und die Gerichte mit Anträgen zu überlasten.

Über den Sommer hinweg gründeten sich immer neue örtliche Initiativen, die sich dem Bündnis anschlossen. Sie etablierten Kampagnen, über die zu Aktionen aufgerufen wurde, mit denen Lokalpolitiker gezwungen wurden, sich eindeutig zu positionieren. Die „Scottish Anti Bedroom Tax Federation“ koordinierte die Kampagnearbeit und sorgte dafür, dass das Thema Schlafzimmer-Steuer nicht wieder von der Tagesordnung verschwand. Am 1. Juni kam es dann zu einer landesweiten Demonstration und zu einem Massen-Sleep-In vor dem Büro der schottischen Abgeordneten Ruth Davidson.

Als der Herbst begann, begannen auch die von der Labour Party geführten Lokalverwaltungen unter dem Druck, der bis dahin aufgebaut worden war, einzuknicken. Der Stadtrat von Renfrewshire sah sich genötigt, einen Finanztopf für HausbewohnerInnen in Höhe von 600.000 brit. Pfund (circa 730.000 Euro) einzurichten, mit dem die DHPs entlastet wurden.

Die Kommunalverwaltung von North Lanarkshire versuchte indes, Lorraine Fraser, eine behinderte Hausbewohnerin, die in Zahlungsverzug geraten war, aus ihrer Wohnung zu räumen. Daraufhin wurde umgehend zu einer überfüllten Versammlung mobilisiert, auf der der Stadtratsvorsitzende Jim McCabe im Viewpark gezwungen wurde, eine für ihn peinliche Kehrtwendung hinzulegen. Er kündigte an, ab sofort eine Politik unter der Prämisse „keine Zwangsräumungen“ betreiben zu wollen.

Die schottische Regierung

Im September kündigte die schottische Regierung unter der SNP an, dass sie die DHP-Gelder für das Haushaltsjahr 2013/14 um zwanzig Millionen Pfund aufstocken wird. Kurz vor dem SNP-Parteitag im Oktober in Perth wurde dann verkündet, dass das schottische Parlament weitere zwanzig Millionen Pfund bereitstellen würde.

Dass diese Ankündigung zu exakt diesem Zeitpunkt kam, war kein Zufall. Schließlich hatte das Bündnis zu einer Demonstration an dem Samstag des Parteitags aufgerufen. Die SNP versuchte zwar noch, die führenden Köpfe der Kampagne zu besänftigen, aber allein diese Ankündigung vermittelte ihnen das Gefühl, mit ihren Aktionen Erfolge erzielen zu können.

Die „Scottish Anti Bedroom Tax Federation“ und die ihr angeschlossenen Initiativen haben gezeigt, was mit einer energischen Kampagne erreicht werden kann. Wir haben die Politik dazu gezwungen, auf unsere Forderungen einzugehen und uns zu keinem Zeitpunkt der Auseinandersetzung das Heft aus der Hand nehmen lassen.

Wir haben die Labour Party gezwungen, sich dieses Problems anzunehmen und die Position der SNP dazu nicht akzeptiert. Letztere stand auf dem Standpunkt, dass nur ein „Ja“ beim Referendum über die mögliche Unabhängigkeit Schottlands Ende dieses Jahres das Elend um die Schlafzimmer-Steuer in Schottland beenden könne.

Tommy Sheridan, Bündnissprecher und ehemaliger Abgeordneter des schottischen Parlaments, sagte:

„Die Reaktion tausender Menschen aus den Wohnsiedlungen in Schottland, die zu unseren Treffen kamen und dafür stimmten, Teil der Kampagne des Widerstands gegen diese widerwärtige Steuer zu werden, war unglaublich. All unsere harte Arbeit hat sich gelohnt. Wir haben in dieser Auseinandersetzung die Themen gesetzt, und sowohl die Labour Party als auch die SNP haben schließlich Vernunft angenommen und dem Wahnsinn dieser unsäglichen Schlafzimmer-Steuer ein Ende bereitet.“

Bündnissprecherin Gail Morrow sagte:

„Dieser Erfolg zeigt, was man erreichen kann, wenn der politische Wille dazu vorhanden ist. Wenn das Bündnis es aber nicht hinbekommen hätte, die örtlichen Initiativen gegen die Schlafzimmer-Steuer auf der Grundlage eines gemeinsamen Forderungskatalogs miteinander zu vereinen, dann hätten auch die SNP und Labour keinen Finger zum Schutz der MieterInnen krumm gemacht. Sie hatten sich schon darauf eingestellt, sich zurückzulehnen und einfach die konservativen Tories für alles verantwortlich zu machen. Von selbst hätten sie nichts unternommen, um die Folgen dieses schrecklichen Gesetzes abzumildern. Wir mussten bei jeder sich bietenden Gelegenheit klar und deutlich aussprechen, was getan werden kann. Heute stellen wir fest, dass wir mit dieser Kampagne genau das Richtige getan haben.“