Jobbik-Partei schändet Statue des ersten ungarischen Präsidenten

Der 16. November 2010 war kein Grund zum Feiern in Ungarn, obwohl an diesem Tag vor 91 Jahren die erste Republik ausgerufen wurde.


 

Der Grund ist, dass an diesem Tag die Statue von Mihaly Karolyi in der Nähe des ungarischen Parlaments in Budapest durch die rechte Jobbik-Partei geschändet wurde. Die Jobbik-Partei hing der Statue ein Schild um mit der Aufschrift „Ich bin Schuld an Trianon“ und setzte dem Abbild des ersten ungarischen Präsidenten eine Kippah auf.

von Konstantin Schmied, z.Zt. Budapest

Weshalb schändet die Jobbik-Partei diese Statue?

Mihaly Karolyi, aus dem bürgerlichen Lager kommend, war nach dem Ersten Weltkrieg der erste bürgerliche Präsident Ungarns. Nicht nur das ist für die faschistische Jobbik-Partei Grund genug seine Statue zu schänden, sondern auch Karolyis Beitrag an der Unterzeichnung des Trianon-Vertrages durch Ungarn nach dem Ende des ersten Weltkrieges.

Welche Rolle spielte bei dieser Gewalttat der durch die Jobbik-Partei verbreitete Nationalismus?

Im Trianon-Vertrag wurden für Ungarn umfangreiche Gebietsabtretungen (Slowakei, Transsylvanien, Kroatien und weitere Teile), Reparationen und weitere Einschränkungen festgelegt. Die Jobbik-Partei nutzt dieses Ereignis für ihre revanchistische Politik mit dem Ziel, alle Ungarn in einem „Großungarn“ zu vereinen. Mihaly Karoly gilt in den Augen der Jobbik-Partei als ein Verräter „Großungarns“. So heißt es in einem Bericht des rechtsextremen Szent Korona Radio(s), dass „(d)er Politiker (…) weder Statue noch Kränze (verdiene)“, da er „die 900jährige Ungarische Apostolische Monarchie gestürzt“ habe.

Arbeiten ungarischer Nationalismus und rechter Populismus Hand in Hand?

Neben dem Kampf gegen die ohnehin schon schwachen Linken dient die Schändung der rechtsextremen Jobbik-Partei auch dazu, ihre gefährlichen nationalistischen Hetzparolen in der Bevölkerung zu verbreiten. Die Popularität dieser Partei spiegelt sich darin wieder, dass die Schändung der Statue nicht im Schutze der Nacht stattfand, sondern am helllichten Tage auf einer von der Budapester Polizei zugelassenen Demonstration zum Gedenken an den adligen Hitler-Verbündeten Horthy. Schließlich versuchte (sogar) eine Gruppe, die Statue mit Seilen umzureißen. Dieses Vorgehen macht deutlich, dass die Jobbik bereit ist, ihr rechtsradikales „Gedankengut“ handgreiflich durchzusetzen, um ihre nationalistische Position in Ungarn zu stärken.

Wie reagierten verschiedene antifaschistische Strömungen auf diesen verbrecherischen Akt?

Es gab linke Gruppen wie „uj spartacus“, die bereits am Tag der Schändung versucht haben, eine Gegendemonstration zu organisieren. Diese Demonstration wurde von der Budapester Polizei verboten, weil, so die Begründung, ein großes Polizeiaufgebot die „Ruhe in der Stadt und den Straßenverkehr beeinträchtigten würde. Ein Linker versuchte trotz des für die Linken ausgesprochenen Demonstrationsverbots auf die rechte Demonstration zu gelangen, um gegen die Verunglimpfung des demokratischen Politikers Mihaly Karoly zu protestieren. Daraufhin wurde er von den rechten Ordnern angegriffen. Die Polizei sah tatenlos zu. Dieses Ereignis macht deutlich, dass es in Ungarn zwar einen wagemutigen linken Kern gibt, aber auch eine Polizei, die auf dem rechten Auge blind ist.

Steht das Vorgehen der Budapester Polizei im Zusammenhang mit einem Gesetz, das die Leugnung kommunistischer Verbrechen unter Strafe stellt und ein härteres Vorgehen gegen Linke rechtfertigen könnte? Dieses Gesetz ließe sich nämlich ebenfalls auf prosozialistische Gruppen ausdehnen.

Linke sollten trotz Verbot demonstrieren!!!

Einige Tage später fanden zwei Gegendemonstrationen statt, die eine am 21. und die andere am 25. November. Auf der Demo am 21. November befand ich mich hauptsächlich unter älteren Menschen. Junge Menschen, so versicherte mir ein deutschsprachiger Antifaschist, nehmen an solchen Demonstrationen kaum teil. Die Kundgebung war ein Zeichen dafür, dass sich breite Teile der Gesellschaft gegen die Rechte wehren wollen und sich die Linken mit jüdischen Bewegungen solidarisieren. Einen Demonstrationsumzug gab es leider nicht, so war die Veranstaltung recht schnell beendet.

Diese Ereignisse machen einmal mehr deutlich, dass es in Ungarn an einer Partei fehlt, die aufrichtig für Sozialismus kämpft und alle kämpferischen Strömungen vereint. Denn ohne eine schlagkräftige sozialistische Partei werden die Rechten ihren Siegeszug fortsetzen. Das was auf der Horthy-Gedenkveranstaltung mit den linken Gegendemonstranten passierte, ist nur ein Vorgeschmack dessen, was passieren wird, wenn die Jobbik-Partei mehr Einfluss gewinnen würde.